schluesselworte

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abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Samstag, 27. Juli 2013

In Murnau





Es hätte das Griesbräu sein sollen am Oberen Markt. Die Zimmer waren bestellt, die Anreise über München geplant. Drei Tage im winterlichen Blauen Land, Schlittenfahrt inklusive. Doch dazu kam es nicht. So wie es davor schon nicht dazu gekommen war, an keinem anderen Ort, und auch niemals mehr kommen würde. Im getanzten Ensemble der Jahre, stellte sie plötzlich fest, gab es selten ein Pas de Deux. Bestimmend war der Contra, die von außen festgelegte Folge. Zwei Schritte vor, einen zurück und am Ende Warten.

Die Sequenzen wiederholten sich. Der Tanz wurde dadurch nicht besser. Die Hoffnung aber blieb, im Knochenkleid bestehen bis zum letzten Paukenschlag. 

Sie seufzte. Legte den Blick noch einmal aufs steinverputzte Antlitz des Hotels, aus dessen buntgeschmückten Fensterreihen gläsernes Schweigen fiel. Schlenderte schließlich die Marktstraße hinab, die an diesem Sommertag von Touristen überquoll. Sommerfrischler.

Sie lächelte, als sie sich an dieses altmodische Wort erinnerte, das Kandinsky noch benutzte, was nicht einer gewissen Ironie entbehrte. Dass er im Gegensatz zu ihnen bleiben konnte, war einem Zufall zuzuschreiben. Und dem Geld einer Frau. Bezahlt hatte sie. Selbst als das helle Blau der Flöte* längst geborsten war, zahlte sie. Weiter und immer weiter.
Mit gebitterten Stunden aus jahrelangem Warten. Zwei Schritte vor, einen zurück. Gedemütigt, am Ende. Lächerlich. 

Der heiße Tag zog die Sommerfrischler in die Biergärten und kleinen Cafés. In der Kottmüllerallee war es daher ungewöhnlich still. Nur das Rauschen der Bäume im leichten Wind legte sich wie ein Versprechen auf den glühenden Asphalt. Als sie das Tor öffnete, wehte ihr der Duft des blühenden Gartens entgegen. Sie setzte sich auf die Bank, lehnte den Rücken ans Russenhaus. In der Ferne waberte die Luft um den Kirchturm, hell. Das schwarze Band der Berge begrenzte ihren Blick. Diese Aussicht also hätten sie geteilt, dachte sie. 

Sie atmete Zinnoberrot und Blau, zwei Farben, die sich nicht leicht mischen lassen. Wenn es aber gelungen ist, so entsteht grau, eine Möglichkeit zum Übergang, die sozusagen versteinert ist. Ein Symbol der vollständigen Gleichgültigkeit*. 

Bald wird es gelungen sein, flüsterte sie.



* Zitate: Kandinsky/Münter



/c/ bild und text: monika kafka, 2013

Montag, 15. Juli 2013

gegen die zeit


 
 
 
zwischen fachwerk
und flanierenden touristen
verschlendert sich der tag,
ein kleines fräuleinwunder
über kopfsteinpflaster
und Blauen Turm
 
legt sich das wissen der rosen
üppige vergänglichkeit
eingemeißelt in stein,
am einstigen Bethaus wuchert
das leben und dein lachen
verspricht uns gegen die zeit



 
 
 
 
 
/c/ bilder und text: monika kafka, bad wimpfen, juli 2013

Freitag, 12. Juli 2013

Selbstverständlich?


Der Tag klingt im Bouquet eines Württembergers aus. Lieblich senkt sich die Nacht über die ausdampfende Sommerstadt. Eingebettet in den Duft von Lavendel und Petunien wiegen sich die Gedanken ein. Kein Geräusch stört die nächtliche Zwiesprache mit mir selbst auf dem Balkon der Träume.

Ich habe heute etwas getan, wofür ich vor zweiunddreißig Jahren, in einem anderen Leben, das ich auch nach so langer Zeit nicht abstreifen kann, im Knast gelandet wäre. Verhört, gedemütigt … Schlimmeres nicht ausgeschlossen.
 
Dass ich heute auf die Straße gehen durfte, um meinen Unmut zu äußern, ein Zeichen zu setzen gegen drohendes Unrecht und gleichzeitig meine Solidarität zu bekunden mit denjenigen, die für mich etwas tun, die ihre Zeit und ihren Kopf hinhalten, damit Recht Recht bleibt und das alles ohne Gefahr zu laufen, im Knast zu landen, das ist nicht selbstverständlich.

Es ist ein von Frauen und Männern erkämpftes Recht, das Eingang gefunden hat in unsere Demokratie. Selbstverständlich ist das also nicht. Und ich habe heute erfahren dürfen, wie es sich anfühlt, Teil einer Geschichte zu sein, die sich täglich neu fortschreibt.

Ein gutes Gefühl in der einbrechenden Dunkelheit – ausnahmsweise mal nicht metaphorisch gemeint.
 
 
 
/c/ monika Kafka, 07/13

Mittwoch, 10. Juli 2013

fang den augenblick

Michael Hermann, fang den augenblick,
stahlskulptur
 
 
 
 
und wie du aufhorchst
 
in dieser grüntönenden landschaft
 
 
dem polyphonen klang des sommers
 
hinzufügst duft und licht, kupfern
 
  
rinnt schon die zeit
 
gegen kältere tage
 
 
fang und bewahr
 
den augenblick
 
 
 
 
 
/c/ monika kafka, kupferzell, juli 2013 

Dienstag, 9. Juli 2013

"Nur fliegend fängt man Worte ein"








Mit diesem Band erscheint die erste umfassende und kritische Auseinandersetzung mit dem veröffentlichten Werk von Eva Strittmatter (1930-2011), populäre Dichterin und Briefautorin in der ehemaligen DDR. Er zeigt auf, wie wichtig die Position Strittmatters als Lyrikerin zu nehmen ist, insbesondere da ihr Werk von einer umfassenden theoretischen Struktur untermauert ist. Ihre Gedichte zeichnen sich aus durch eine durchdachte Prosodie und einen vielschichtigen Aufbau; das öffnet ihnen den Zugang zu einer Vielfalt von Lesern.
Beginnend mit einer Betrachtung von Strittmatters Prosaschriften, zeigt die Studie die Entwicklung Eva Strittmatters als Dichterin und die zunehmend theoretische Fundierung ihrer Texte auf. Hauptpunkte, die in diesem Band angesprochen werden, sind die Metapoetik und linguistische Aspekte, die Emanzipation durch Sprache – von der Sklavensprache zur Sprachfähigkeit –, Naturlyrik und Intertextualität. Diese Studie stellt die bisherige Annahme, dass es sich bei Eva Strittmatter um eine ostdeutsche Dichterin von minderer Signifikanz handelt, in Frage und demonstriert, dass ihr ein Platz in der ersten Reihe der großen deutschen Dichterinnen gebührt.


Beatrix M. Brockman arbeitet als Assistant Professor für Deutsch und Englisch an der Austin Peay State University. Sie erhielt 2012 den «Doctor of Philosophy» in Germanistik an der Vanderbilt University. Als Lyrikerin hat sie mehrere Gedichtbände veröffentlicht.


Soweit die Vorankündigung des Verlags.

Ich hatte die Gelegenheit und das besondere Vergnügen, diese Arbeit bereits vorab zu lesen.
Allen, die an der großen Lyrikerin Eva Strittmatter interessiert sind, sei dieses Buch wärmstens empfohlen.