schluesselworte

schluesselworte
abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Mittwoch, 5. September 2012

herbstwarm

/c/ dieter vandory, herbstlichtgefühl, 09/12







auf die spitze getrieben

setzt du das rufzeichen aus

eingerolltem sommer

raschelt die antwort

herbstwarm

liegen die felder

bedingungslos ergeben

einem fraglosen september

sonnenverklammert, punktgenau







/c/ monika kafka, 09/12

Freitag, 31. August 2012

Münchner Notizen




Dass die „Weltstadt mit Herz“ im Grunde genommen nichts anderes sei als ein großes Kuhdorf, diese Ansicht wird oft und gern vertreten. Und das nicht nur hinter vorgehaltener Hand.

Seit dreißig Jahren lebe ich schon hier, achtzehn davon in einem Stadtteil, der, so kann ich mit Fug und Recht behaupten, besser ist als sein Ruf. Nicht nur, dass er über eine hervorragende Infrastruktur verfügt, er besitzt auch etwas, das in weitaus nobleren Vierteln eher Mangelware ist: nämlich Grün.

Vom elften Stockwerk aus ist dies besonders augenfällig: der Blick fällt nicht etwa in die Tiefe, sondern taucht ein in ein Meer aus vielschichtigem Grün. Die Bäume sind mittlerweile so hoch, dass die Betonfluchten darin wie Inseln scheinen, von denen nur der jeweils höchste Punkt noch sichtbar ist. Darüber hinweg fliegt das Auge bis zum Waldesrand und bleibt schließlich am Saum der Alpen unwiderruflich hängen. An Tagen, an denen der Föhn sein Spiel mit Wolken und kopfwehgeplagten Einwohnern auf die Spitze treibt, ist jede einzelne davon zu erkennen: ein wildgezacktes Band, durchschnitten von dunkelgeahnten Tälern.

Auf meinem Weg zur U-Bahn, die mich in weniger als einer Viertelstunde wieder ausspuckt mitten in der Stadt, gehe ich aber täglich an einem ganz anderen Wunder vorbei. Zwischen drei, zu Stoßzeiten relativ befahrenen Straßen und einem großen kastanienbepflanzten Platz, auf den sich vereinzelt Robinien eingeschlichen haben und der wochentags als Parkplatz dient, liegt ein Stück Land, das offenbar niemandem gehört. Was natürlich nicht sein kann, denke ich mir, weil doch immer alles irgendwem gehört. Ich hab mich bisher nicht getraut, dem nachzuforschen, vielleicht aus Angst, dass sich vielleicht Besitzansprüche schneller klären, als mir das lieb wäre. Man weiß ja nie, in welches Wespennest man gerade sticht. Es handelt sich um eine Wiese, die erst zum Sommerende wenn überhaupt gemäht wird. Nie ist es mir gelungen, den Zeitpunkt zu erwischen, da sich dort jemand den Mühen dieser Arbeit unterzieht. So oft ich auch darauf geachtet habe: an einem Tag ist sie noch da, am nächsten – weg.
 
Wenn nach langen Wintertagen und feuchtem Schmuddelwetter der Boden langsam sich begrünt, ist es an der Zeit für mich, hier offeneren Auges vorbei zu gehen. Den Schritt zu zügeln. Die Luft bewusster einzuatmen. Um wahrzunehmen, wie früh oder wie spät es tatsächlich ist im Jahr.

Zwischen hellgrünen Gräsern schimmert als erster vereinzelt Huflattich, dicht gefolgt von Hahnenfuß und Wiesenveilchen. Und wenn die Sonne gnädig ist, verwandeln bald schon Löwenzahn und Margeriten, Taubnesseln und Glockenblumen das Stückchen Land in einen buntbestickten Teppich, an dessen Rand, zur großen Straße hin, Holunderbüsche auf ihren Einsatz warten. Dazwischen ranken Heckenrosen mit ihren filigranen Blüten. Es flügelt und flattert, summt und brummt, hörbar durchaus. Im Wettstreit mit Motorenlärm, der sich hier wie durch ein Wunder noch in annehmbaren Grenzen hält.

Jetzt, im Juli, nach reichlich Regen und ein paar sengendheißen Tagen, wuchern wilde Möhre, Schafgarbe und Rosenmalve. Hüfthoch stehn die Gräser, wogend im leichten Wind, der Klee wird schier erdrückt. Und wenn nach einem Schauer der Boden dampft, liegt dieser unverwechselbare Duft von Sommer in der Luft, von Kindheit und von einem fernen Garten, den es lang schon nicht mehr gibt.

Wie groß mag sie denn sein, die wilde Wiese? Ich weiß es nicht, ich war schon immer schlecht im Schätzen. Jedenfalls scheint sie mir groß genug, um irgendwann bebaut zu werden mit einem unnütz Ding. Doch Jahr für Jahr vergeht und nichts geschieht. Sie lebt und blüht und wuchert. Vielleicht auch nur für mich.
In diesem Kuhdorf, meinem München.






/c/ Monika Kafka, 08/12

Donnerstag, 23. August 2012

Diese Hände
die mir die Fäden webten
zum engmaschigen Netz
Erinnerung


I.


Das Morgengrauen
verfütterte sie an die Tiere
dachte Großmutter immer als erstes
mischte sie unter die Körner
übrig gebliebene Träume so
seien diese doch zu etwas gut
sagte sie bevor aus ihren
weit ausholenden Händen
der Mais rieselte,  später
beobachtete ich verstohlen
die Hühner um herauszufinden
was Großmutter denn geträumt haben 
könnte man ihnen das ansehen
fragte ich mich Glück oder Unglück
der Nächte aus denen sie für mich
stets die garstigen Augen
herausschnitt und in die Büsche hängte
so dass ich sie im Lauf des Tages 
anschauen konnte ohne
mich zu fürchten in der Sonne
würden die Brombeeren warm
schmecken wie die Milch
aus der blauen Tasse
nur etwas dunkler 


II.


Großmutter modellierte für mich
die Tage im Sommer
gerieten barfüßig und breit
gedieh das Glück zwischen
Sandkuchen und summenden Rosen
dienten Rhabarberstauden als Versteck
für Klein-gemein-Geheimnisse 
wie totgemachte Regenwürmer
aus dem warmen Wannenwasser
stiegen Lachfontänen auf und oh
Susanna im Bade sang Großmutter dann
wusste ich dass der Abwasch bald
erledigt war wie mein Geheimnis
verraten durch das nassglänzende
Fell der Katze das langsam trocknete
viel langsamer als Großmutters Gesang und
mein Wunsch nach neuen Wundern
trieb mich in die Birkenkrone wo
ich nicht zu sehen war und manches
sah was jenseitig des Tores
offen lag an Verlockungen
der Straße durch die schreckverzerrte
Stimme aber die mich rief
begriff ich erst wie schlecht
doch manche Kinderscherze sind 


III.

 
Im Winter fielen die Tage
dünnbeinig aus und schmal
flackerte das Feuer im Ofen
verglühen die Farben des Sommers
sagte Großmutter /und nichts
von vorgeschriebner Kälte/
zu lange schon
hält sich der Frost im Land   
selbst die Fensterrosen sind
auf Sparflamme gestellt und
ich drückte meine Nase lang
an die weißerblühten Scheiben
bis ich nach draußen spähen konnte
und das Gras so fantasielos fand
wie drinnen Hund und Katze träge
zog das Licht in die Stube dann
stellte Großmutter sich an die Staffelei
und malte mir die Tage aus
dem Eingemachten sagte sie
müssen wir jetzt schöpfen Kind
spür den Wind im Sonnenblumenfeld
sieh nur wie sich die Köpfe neigen
unterm satten Pinselstrich getaucht
in ocker grün und gelb
leuchtet auch der Ginster, später
rot der Mohn im reifen Korn
sirren bald die Sensen Zeit
wird es für uns
das Abendbrot zu schneiden im
Duft von Ölfarben und Firnis
schmeckte selbst ein Wintertag mir hell



/c/ monika kafka, 2011





Montag, 20. August 2012

zuversicht

/c/ thom kafka, 2011








/für meinen sohn/






die räder fressen

kilometer für kilometer

näherst du dich 

dem blaugetauchten ufer

deiner sehnsucht segel

ausgesetzt dem kecken wind

bleibt nur mein herz

unbändig umglänzt

von einer namenlosen

zuversicht








/c/ monika kafka, 08/12

Mittwoch, 8. August 2012

dahin































warum nicht zurückkehren
zu den verschwiegenen

tannen, den flüsternden
steinen, meinen brüdern

im überschaubaren
land jenseits der wälder

warum nicht ablegen
die viel zu weiten kleider

die siebenmeilenstiefel und
den narrenhut, vielleicht

waren die vögel gnädig
und sanft der ostwind auch
enden märchen ja immer gut

ich vergaß
brotkrumen auszustreuen







text des monats juli, 2012 im literaturforum http://blauersalon.net






/c/ bild und text: monika kafka, 08/12

Montag, 23. Juli 2012

grenzland

/c/ dieter vandory, grenzland, 2012

























sein willst du
wie feiner sand, fließend
weiß verführerisch
ausgesetzt
dem schönen schein
der sonne und dem wind

in wahrheit bist du nie
die warme,
anschmiegsame düne
nur kalter sand am meeresgrund
lässt dich bestimmen von der welle
bist ebbe mal, dann flut

im grenzland
bist du stets daheim
/zwei schritte vor einen zurück/
wer sich nicht auskennt
mit ge_zeiten
hat pech gehabt und wird geschluckt






/c/ monika kafka, 07/12











Samstag, 21. Juli 2012

isabella kramer - weniger bis meer




















"diese nordisch hellen Weiten
Tage ganz mit Blau gefüllt
weiches Licht auf hellen Stränden
Wind, der Sehnsucht weckt und stillt"



In unserer lärmenden hektischen Zeit sind die Gedichte Isabella Kramers leuchtende Inseln der Stille und der Kontemplation, aber niemals der Resignation oder gar Weltabgewandtheit.
Ihr Gedichtband weniger bis meer beinhaltet Texte, die im Rhythmus der Jahreszeiten gehen und viel mit der norddeutschen Heimat der Autorin zu tun haben.
Sie zeugen von einem wachen neugierigen Blick selbst auf die kleinsten Dinge des Lebens und von einem großen Gespür für Sprache und Rhythmus:

„Dennoch
webt sich ins Land
mit sanften, leisen Tönen
/…/
haucht Hoffnungsgrün
auf gestern noch Lebloses

und gipfelt in dem Veilchen
zwischen engsten Fugen
unbändig, morgig mahnt
der Frühling Leben an“

Bilderreich und wortgewandt stellt die Autorin ihre Motive in immer wieder neue Zusammenhänge, beleuchtet das ewige Stirb und Werde in der Natur und setzt es geschickt und in mannigfacher Weise in Beziehung zum Menschen.

Den vier jahreszeitlich angeordneten Kapiteln ist eines vorangestellt, in dem das Element Wasser dominiert. Die lebensspendende, alles erneuernde Kraft des Wassers ist auch symbolisch zu lesen für Isabella Kramers durchweg positive Lebenseinstellung.
Immer wieder kehrt das lyrische Ich in den Gedichten zurück ans Meer, um hier im Einklang mit den Elementen zu sich selbst zu finden, sich seiner eigenen Kraft und deren Wurzeln zu vergewissern.

Dem Dunkeln, machtvoll Zerstörerischen wird wenig Raum gegeben und falls doch, dann immer nur als die andere Seite der Medaille, die man kennen und akzeptieren muss, um bewusster das Jetzt und Hier, das Helle und Freundliche erleben zu können:

„lehne mich gegen den sturm
fülle mit seiner kraft die leeren saiten
stärke und wildheit, fremd und vertraut
rauhlied im uralten fordernden rhythmus

/alles ist dein und altes muss fort/

wirbelnder tanz im fauchenden atem
bieg mich, neig mich – so weit es nur geht
schwinge im dunklen takt seiner macht
doch brechen, nein brechen lass ich mich nicht“

Die lichten Gedichte von Isabella Kramer stehen natürlich in einer langen Tradition.
Dennoch schafft es die Autorin auf bemerkenswerte Weise sich dieser nicht nur zu stellen, sondern sie fortzuführen, selbst alte Motive sprachlich neu zu fassen und ihnen dadurch zu neuem Glanz zu verhelfen.
„Du bringst für mich den Mond ins Rollen“ heißt es etwa in einem Text oder im Gedicht „erinnern“, in dem es um vergangene Rosentage, Rosendüfte und –sträuße geht, bittet das lyrische Ich darum: 
erzähls mir so// dass dem Erinnern keine Dornen wachsen//.

salzfeucht“, „wunschgefühlt“, „winterharfenzeit“, „tintenreim“ sind nur eine kleine Auswahl an Wortschöpfungen, die diese Gedichte als etwas Besonders kennzeichnen.

Und ganz wunderbar beherrscht die Autorin die Form des Pantum, für viele ihrer Gedichte geradezu die ideale Form, um das Zyklische darin offensichtlich zu machen.


Isabella Kramer, Malerin und Fotografin, Mitglied im Europa Literaturkreis Kapfenberg, Österreich, schreibt Lyrik und Kurzprosa
Zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien
Im Internet zu finden unter www.veredita.blogspot.de
Ihr Gedichtband weniger bis meer kann hier bezogen werden




Monika Kafka, 07/12