schluesselworte

schluesselworte
abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Dienstag, 7. Mai 2013

Tagebuchtage





... oder über den Zusammenhang zwischen einem Film, einem Buch, einer Skulptur, einem ungeschriebenen Text und Tagespolitik

 
Der Mascha Kaléko Abend, an dem sie aus dem Werk der großen Lyrikerin vortrug, liegt schon längere Zeit zurück.
 
Noch länger ist es her, dass ich Maria Schraders Regiedebüt, die Verfilmung des Romans „Liebesleben“ von Zeruya Shalev, im Kino gesehen habe.
 
Und seit gut über einem Jahrzehnt beschäftigt mich die Geschichte von „Aimée und Jaguar“, in der ich der Schauspielerin zum ersten Mal begegnet bin.

Es waren stets einschneidende Erlebnisse, die Spuren hinterlassen haben, die weit über das Normale hinausgingen.

Umso verwunderlicher für mich, dass wiederum einiges an Zeit vergehen musste, bevor ich aufgrund meiner Recherchen über diese Künstlerin auf einen Film stieß, in dem sie erneut eine tragende Rolle spielt. 

Freitag.
Es ist schon ziemlich spät.

Dennoch beschließe ich, trotz des folgenden langen Arbeitstages und einer Laune folgend, wie ich meine, den Film „Rosenstraße“ anzusehen.  

Es war zu erwarten und überfällt mich dennoch wieder völlig unvorbereitet.
Das ganze Grauen einer Zeit, festgemacht an einem Einzelschicksal. Subtil. Ohne erhobenen Zeigefinger. Emotionen in Bildern und Sprache transportiert– einer so oft pervertierten Sprache, die dennoch rettend und heilend wirken kann. Selbst wenn es Jahrzehnte dafür bedarf.
Kann man je darauf vorbereitet sein?

Samstag.
Business as usual.

In der Buchhandlung ist es ungewöhnlich ruhig für einen Wochenendtag.
Zeit also, gründlich aufzuräumen, die Bücher wieder in ein System zu bringen, das zumindest uns Buchhändlern einsichtig erscheint.

Ein einzelnes Exemplar eines Buches erregt meine Aufmerksamkeit. Nie zuvor ist es mir aufgefallen, hätte mich ein Kunde danach gefragt, ich hätte erst recherchieren müssen. Ein Blick auf Cover und knappen Klappentext und ich weiß, wo es einzusortieren ist.

Auf dem Weg zum NS Regal schlage ich es auf, lese ein paar Sätze. Nein, denke ich, heute ist nicht der Tag für solch eine Lektüre.
Und mache dennoch kehrt. Lege das Buch an mein Info.
„Der letzte Jude von Treblinka“.
Draußen scheint die Sonne, es wird endlich Frühling in der Stadt, die Zeit der Düsternis und Kälte ist vorbei.
Am Abend hab ich das Buch ausgelesen. Trotz widriger Umstände. Trotz Sonnenschein.
Die Antwort auf die Frage eines Kollegen, wie es denn so sei, das Buch, ob auszuhalten, fällt mager aus: wir müssten es ja nur lesen. Sollten wir selbst dafür nicht stark genug sein?  

Sonntag.
Der Geburtstag meiner Mutter.

Nach dem Besuch auf dem Friedhof fahre ich zur Blutenburg.
Wieder scheint die Sonne, mein eingetrübtes Gemüt wärmt auf. Zwischen blühenden Bäumen und Sonntagsgästen beobachte ich einen Schwan, der selbstvergessen aufwändig Morgentoilette betreibt. Die Kamera ist gezückt. Und ich bin bemüht, das von Vater Gelernte umzusetzen. Den Blick wach zu halten für den Augenblick.
Unter silbrigen Birken schimmert es dunkel. Und zieht mich magisch an.

Ich seh die Rosenstraße und Treblinka und einen Ort im fernen Russland, der mir den Großvater genommen hat. Den Endlostreck einer Geschichte, die ihre Wurzeln immer noch nicht ganz beseitigt hat. Im grauen Kleid der Angst und entblößter Würde ziehen sie jahrzehntelang auf diesem Weg vorbei – ins ungewiss Gewisse. Vorbei an Frühling und Gesang, an Sommerhungrigen und grünen Wiesen, an Würm und Schwan und Kameras, die zweifelsohne noch vereinzelt blitzen.  

Montag. Morgen.
Blick in die Zeitung.

Auftakt im NSU- Mordprozess.
München. Nymphenburger Straße, 16. 

Ich glaube nicht an den Zufall, schrieb schon Paul Claudel …
 
 
 
 
/c/ bild und text monika kafka, 2013

Sonntag, 5. Mai 2013

in memoriam, 05/05/1934

/c/ dieter vandory, 2013
























du gingst so leis
durch meinen traum
der voller leben schien
am anfang
warst du mittendrin
ich sah dich lachen, reden
doch plötzlich warst du
außerhalb und stockgestützt
auf einer handvoll zeit
und hast dich nicht mehr
umgedreht, die zeiger  
sichelten den raum
/c/ monika kafka, 05/13

Dienstag, 30. April 2013

nach einem winter






zitternd noch liegt die erwartung
 
über sich eingrünendem land
 
träume schwellen an dünnen ästen
 
 
 
hängt das amsellied morgenlicht
 
vertreibt die kalten schatten und
 
wärme keimt in unserer hand
 


 
 
/c/ foto und text: monika kafka, 04/13

Freitag, 26. April 2013

o.t.

Du weißt um den Wald
hinter der Stirn und wie er raunt
in gestäbten Stunden
wenn sich der Ostwind
verstolpert darin und taglang
wurzeltief wütet
 
 
Wenn unter den Lidern
die Landschaft erwacht
in der mir kein Vogel mehr singt
weißt du um die Kraft
solch gebrochener Nacht
die Blumen am Wegrand gebiert
 
 
 
 
/c/ monika kafka, 04/13





 
 

ich sehe
deine augen
erzählen
von ferner zeit
einer traurigkeit
längst vergessen
das lächeln
einer mona oder lisa
(verjährt)
 
dieses wissen
um deinen mund

 
 
 
/c/ foto und text: diana jahr, 04/13
 
 


Montag, 15. April 2013

gegen die fahrtrichtung

 
 
 
 
ein bahnsteig voll zeit.
oft zu viel. meist nicht genug.
verlegenheitsworte. eine linkische umarmung. und ganz viel augen_blick.
  
wind kommt auf. die schienen vibrieren. es zischt und schluckt. mich.
 
klimatisierte stille. hin und wieder ein fetzen.
gespräch. handyklingeln. flüstern.
ich versinke in meinem sitz. rolle mich ein. so gut es eben geht. abwehrhaltung. gegen das toben im inneren. zwecklos.
 
was einem so entgegenfliegt auf reisen.
mir fliegt es rückwärts. entschwindet.
wälder und wiesen. ein unentschiedener himmel. siedlungsgrau. felder.
und dein entscheidendes wort. nachtgeboren und tagerprobt. bleibt. hängt tief wie die wolken. 
bauchgesteuertes denkwort, ich liebe dich. und denke dir nach. 
hochgeschwindigkeitstaumel. in lähmender einsamkeit. tränen.
dabei war es eben noch. dein lächeln. lockig und leicht.
und tapfer.
schlägt sich die zeit gegen die brennende brust. 
 
ab frankfurt dann richtungswechsel.
die tatsachen fest im auge komme ich an.
mit schwerem gepäck.
 
 
 
 
/c/ bild und text: monika kafka, 04/13


Dank an Michael Hermann /c/ für das Antwortgedicht:


Manchmal
hör ich dieses Pfeifen

nachts
wenn Dunkel
über Träumen 

aus längst vergangenen
Tagen wacht 

Fauchende Nebel
schweben grau
unter spärlich
schimmernden Laternen 

Stumm
schreien Gefühle

Worte
die nur
der schwarze Himmel hört 

Wangen
schmelzen langsam 

und leise
im Fluss der Sehnsucht 

in blauen Augen 

glänzt
der Orient Express
 
 

Mittwoch, 3. April 2013

im hofgarten der residenz





bald werden sie hier wieder
spielen, den wettstreit eröffnen
zwischen klickernden kugeln
und klapperndem geschirr
ein hauch von méditerranée
unterm kastanienhimmel

schleift träge noch
ein entlaubtes lächeln
über den kies
ziehen die reste des winters
und erwartungsvoll
hält sich dianas tempel bereit
für frisch verliebte

wechselt die zeit
nur die kleider, erinnerungslos
folgt frühling auf frühling auf
durchweichten wegen
such ich dich in meinem garten
schlage den mantelkragen hoch
que serais-je sans toi?*



/c/ bild und text: monika kafka, 04/13

Samstag, 30. März 2013

Frohe Ostern!






über die treppen rinnt
die zeit im erinnerungsmuster
glaubenshell





/c/ bild und text: monika kafka, 2013