schluesselworte

schluesselworte
abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Donnerstag, 31. Mai 2012

Im Lichtbaum

/c/ Diana Jahr, 2012





Im Lichtbaum 
sitzt die Geliebte, windbewegt

rinnen aus ihrem Haar
offene Träume

daraus der Feuervogel baut 
sein Nest, spät 

am Morgen nistet 
eine goldene Feder





/c/ monika kafka,31/05/12

Sonntag, 27. Mai 2012

Claus Stephani, Der Rasen







Ich freue mich sehr, Claus Stephani erneut als Gast auf meinem Blog begrüßen zu dürfen.
Allen meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich eine anregende Lektüre!



/c/ dieter vandory, seelebaumelwiese, 2012






















Heute habe ich in meinem Garten den Rasen gemäht. Nun sitze ich auf der Terrasse, betrachte das Grundstück, auf dem es bis vor einer Stunde noch eine kleine Wiese gab, und mir ist dabei nicht wohl zumute. Denn dieser Rasen schaut jetzt beinahe auch so aus wie alle anderen Grünflächen in der Nachbarschaft. Beinahe, muss ich einschränkend wiederholen, nur beinahe. Denn da stehen noch mitten im Rasen einige kleine Inseln mit Hahnenfuß, Leimkraut, Margareten, Tausendschönchen und anderen Blumen, deren Namen ich nicht kenne. Ich bin mit dem gefräßigen Rasenmäher vorsichtig um sie herumgefahren. Und so ist mein Rasen jetzt immer noch nicht einheitlich und sauber, wie ein richtiger Rasen zu sein hat. Die Nachbarn aber werden sich weiterhin wundern und seltsame Beobachtungen anstellen: „Was sind das nur für Leute, die dort wohnen? Ihr Rasen schaut ja aus wie eine Wiese?“
     Es ist schon viele Jahre her, als ich zum erstenmal einen richtigen Rasen sah und mir damals ähnliche Fragen stellte.
     Wir lebten erst seit etwa zwölf Stunden in Deutschland, und meine Eltern hatten uns für ein paar Tage bei Bekannten eingemietet, damit wir nicht in ein sogenanntes Übergangslager ziehen müssen. Es war ein Reihenhaus, und auf dem kleinen Grundstück gab es eigentlich nur einen phantasielosen grünen Rasen und einen schelmisch lachenden Gartenzwerg, der auf einem Steinsockel stand und unentwegt zum Haus blickte.
     An jenem Tag kehrten die beiden Vermieter von einer längeren Ferienreise zurück, und ihr erster Weg führte selbstverständlich zu ihrem Rasen hinter dem Haus. Und da hörte ich plötzlich einen schmerzlichen Aufschrei. Denn im einheitlich gepflegten Gras hatten sich, während ihrer Abwesenheit, ahnungslos rasenfremde Blumen angesiedelt. Darunter waren auch solche, die ich zuvor genannt habe.
     Und nun folgte sogleich eine hektische Strafaktion, denn jede kleine Blume, die auf einem sauberen deutschen Rasen nichts zu suchen hat, wurde einzeln und mit Wurzel entfernt. In die dadurch entstandenen Lücken aber streute man rasch etwas Rasensamen und bedeckte ihn mit schwarzer Gartenerde aus einem großen Plastiksack. Dann bekam die Saat auch etwas Regenwasser, das man mit einer kleinen Gießkanne aus einer Tonne schöpfte.
     Ich beobachtete diese Leute und wunderte mich, denn so etwas hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Soviel Aufregung wegen ein paar kleinen Blumen. Und die Gründlichkeit, mit der man bei ihrer Entfernung und Vernichtung vorging. Kein ängstliches Gänseblümchen, auch wenn es noch gar nicht zu blühen gewagt hatte und sich irgendwie verstecken wollte, blieb unentdeckt. Denn man erkannte es schon an seinen runden Blättern. So wurde der Rasen langsam aber sicher von allen Fremdpflanzen gesäubert. Und schließlich war er „unkrautfrei“, wie die Vermieterin schließlich meinte, worauf ich nichts erwidern konnte.
     Dann aber fragte sie mich, wobei sie die Antwort wie selbstverständlich gleich vorwegnahm, weil man ja über einen Einwanderer aus dem Osten sowieso alles schon zu wissen meint: „So etwas gab es wohl nicht bei euch in Bukarest? Einen richtigen Rasen, wo nicht alles durcheinander wächst? Ich kann mir nämlich kaum vorstellen, dass sich dort jemand die Mühe gemacht hätte, seinen Rasen sauber zu halten.“
     Was sollte ich darauf antworten? Sollte ich vielleicht erzählen, dass ich früher im Herbst manchmal nach Siebenbürgen gefahren bin, oder nach Marmatien zu den weiten Wiesen am Rande der Karpaten, wo die vielen wilden Blumen wachsen? Ich hatte einen kleinen Sack mit dabei und sammelte Samen ein, die ich von den trockenen Blütenähren streifte. Dann verstreute ich diese Samenkörner auf der kleinen Wiese in meinem Garten hinter unserem Haus. So gab es da bald Blumen wie in den Karpaten, Blumen, die sich dann selbst weiter versämten. Und die Nachbarn schauten manchmal über den Zaun und sagten bewundernd: „Wie viele Blumen da auf eurem Rasen wachsen! Wie macht ihr das nur, dass euer Rasen immer so bunt ist?“
     Als die Vermieterin dann mit einem feuchten Tuch das ewig lachende Gesicht des Gartenzwergs vom Staub der letzten Wochen liebevoll säuberte, sagte ich: „Du hast recht, so etwas gab es dort nicht.“ Und da hatte ich sogar die Wahrheit gesagt und konnte mit meiner Antwort zufrieden sein. Denn damals hatte die Kultur der Gartenzwerge und der „unkrautfreien“ Rasen diese ferne Gegend noch nicht erreicht.
     Im letzten Sommer aber, als ich wieder einmal jenes Land an den Karpaten besuchte, konnte ich sehen: Die Gartenzwerge sind auch hier auf Vormarsch. Aus den Kasernen des grenznahen Großhandels ziehen ganze Armeen von ihnen los und erobern die Vorgärten der Vorstadthäuser. Dort stehen sie nun und lachen dich unentwegt an – selbstbewusst, wenn auch als Massenware und aus Kunststoff, doch siegesgewiss, als wüssten sie, dass bald auch diese vernachlässigte, östliche Welt erobert ist. Denn zu einem sauberen Rasen – das weiß man schon – gehört auch das zeitgemäße Idol vor dem Haus – ein Gartenzwerg, ein Statussymbol. Ein kleiner Mann, ein Europäer, vorwiegend heiter, der zuversichtlich in die Zukunft blickt. 



/c/ Claus Stephani, 2012

Samstag, 26. Mai 2012

filigran


du hast mein narbenherz
umgarnt zur wintersonnenwende

hast silberfäden eingewebt
und das muster deiner hände

dein malvenmund
sprach sommer stets, zerschnitt
mein dunkel nacht für nacht

hast du die wunden still
vernäht und mich gehüllt
in samt

und seide
fließt aus deinem haar

wenn mich der maimond stürzt
ins licht




/c/ monika kafka, 26/05/12


/c/ dieter vandory, für dich, 2012








Sonntag, 20. Mai 2012

wovon man nicht sprechen kann,

darüber muss man schweigen 
                                      /wittgenstein/
































 
stimmt.

Sonntag, 13. Mai 2012

erwachen

/c/ dieter vandory, 2012





wie sich die landschaft weitet
darin dein auge
nachtentkleidet talwärts rinnt

sich verschwendend an den morgen
der taubenetzt noch
zwischen dunklen schenkeln liegt

ein junger wind
fährt keck hindurch, steigt auf
zu gipfeln, lichtumspielt

liegt grün in seinem klang
die wiese und
ihre maihaut zittert



/c/ monika kafka, 05/12

Mittwoch, 9. Mai 2012

Evelyne Weissenbach, Flossenbürg 2011





„Ihr nach-denken“, schrieb Christa Wolf in ihrem Roman „Nachdenken über Christa T.“
Dem Denken wurde und wird immer noch viel, zu viel Bedeutung eingeräumt, wobei der Mensch als denkendes Wesen sich dabei nicht selten als tierischer als jede Kreatur, die ja gerade nicht denkt, entpuppt. Den umgekehrten Weg zu gehen und sich auf diese Weise einem so schwierigen Kapitel der Geschichte anzunähern, erscheint vielleicht auf den ersten Blick illusorisch. Oder einfach. Zu einfach. Dabei ist es gerade das Nach-Fühlen, das möglicherweise zu einem anderen Denken, Nachdenken führen kann.

In einem Spür-Bericht offen zu legen, welche Fährte aufgegriffen werden könnte, um aus dem Grauen und Entsetzen der NS-Zeit heraus zu treten, mit einem neuen Bewusstsein, einem, das nichts leugnet, nichts verdrängt von den Schrecknissen jener Zeit sondern mit einem, in dem das Gefühl, die Emotion integriert wird, um aus den Opfern wieder Menschen entstehen zu lassen- das ist Evelyne Weissenbach in ihrem Spürbericht über das Konzentrationslager Flossenbürg auf eindringliche und ausdrucksstarke Weise gelungen.
Sich einfühlen in diese Menschen, die dort gelebt und gelitten haben, die dort ihr Leben lassen mussten, weil denkende Menschen es so wollten.

Das Büchlein ist Bericht und Beschreibung gleichermaßen.
Evelyne Weissenbach schildert zum einen den Rundgang durch die Anlage von Flossenbürg, die Gedenkstätte, was sich beinah wie ein Reiseführer liest: konkrete Angaben, Details in sachlicher Sprache, angereichert durch Fotos.
Zum anderen wird der Bericht jedoch immer wieder aufgebrochen durch die Beschreibung von Seelenzuständen, in die die Autorin bei ihrem Rundgang gestürzt wird. Diese Zerrissenheit, dieses ständige Ringen darum, das Denken außen vor zu lassen, sich den wechselnden inneren Emotionen zu stellen, die ihr schier die Luft zum Atmen nehmen, wird auch durch eine in diesen Passagen äußerst poetische Sprache deutlich gemacht.

Ein ergreifendes Buch und ein tröstendes, wenn der Leser bereit ist, sich auf diesen Weg einzulassen.


Evelyne Weissenbach
Flossenbürg 2011

hs-LiteraturVerlag 2011
978-3951-99072-9

Sonntag, 6. Mai 2012

la luna


/c/ dieter vandory, lichtbarke, 2012




legst mir dein schwellendes
licht um die schultern
streichst gold auf meine haut
brichst alternde wünsche
im ewigen spiegel
von lust und begehren auf

dich kann ich setzen
in solchen nächten ist alles
erlaubt und nichts tabu-
verirrt deckt meine hand
deine augen und mehr noch
dein wissendes lächeln zu




/c/ monika kafka, 05/12

Samstag, 5. Mai 2012

in memoriam, 05/05/1934

hella kiss, 2012





deine stimme schwebt
engelsgleich im frühlingswind
maiglöckchenklang





/c/ monika kafka, 05/05/12

Mittwoch, 2. Mai 2012

hautgeheimnis






deine hand
streift unbekannte saiten, fremd
klingen die töne mir

deine partitur durchblätternd
lächle ich die fehlenden
noten aufs erblassende papier

was für ein pas de deux



/c/ bild und text: monika kafka, 05/12

Montag, 30. April 2012

Claus Stephani, Vor dem letzten Augenblick







„Am Anfang war das Wort, doch am Ende wird die Lüge sein, und die Lüge wird sein wie das Wort, in einem Gewand aus falschem Leinen, und man wird ihr glauben und meinen, sie ist das Wort“, sagte Rabbi Schmuel von Oberwischau vor gut zweihundert Jahren.

Was aber hat es auf sich mit den Worten, diesen seltsamen Gebilden, die uns umso mehr abhandenkommen, je verzweifelter wir sie suchen? Die sich einmal scheu und zerbrechlich geben wie ein junges Mädchen vor der ersten Blüte, ein andermal sich zieren und umworben werden wollen wie eine alternde Diva. Vielleicht stimmt beides und auch wieder nicht, vielleicht muss man sie einfach im Stillen reifen lassen, bevor sie uns ihre volle Süße offenbaren so wie ein später Sommertag.
Und wenn es dann auch noch gelingt, die sieben Tore zur Erinnerung zu durchschreiten, wird man sie finden, die Worte, mit denen sich Geschichten erzählen lassen, anrührend und zärtlich, poetisch und wahr_haftig, weil sie weit entfernt von einem Ende sind.
Das ist Claus Stephani  in seinen „Erzählungen aus verschwiegenen Zeiten“, so der Untertitel seiner neuesten Publikation „Vor dem letzten Augenblick“, auf wunderbare Weise gelungen.

Drei Erzählungen sind es, die als Vorgriff auf ein umfangreicheres Buch bei Hans Boldt als „Winsener Heft 35“ erschienen sind.
In ihrem Mittelpunkt steht jeweils eine andere Frau: 
Judith, „das Geschenk eines zärtlichen Sommers“, Anna, die gebildete Französischlehrerin und schließlich Joana, die Frau ohne Nachnamen, vom liebenden Adam, der in Wahrheit ebenfalls einen anderen Namen hat, Apfelblüte genannt. Das Verbindende dieser Begegnungen aber, die das Erzähler-Ich geprägt und sein Heranreifen zum Mann auf unterschiedliche Weise begleitet haben, ist die Sprache. 

Vom Nicht-Sagen-Können, weil die Worte fehlten oder unbeholfen waren, über ihren Missbrauch in einem totalitären Regime, dem Schwanken zwischen einer Mutter- und einer Vatersprache und dem Schweigen, das unweigerlich zum Verschweigen führt, spannt sich der Bogen, geografisch eingebettet unter den teilnahmslosen Augen der Corona, jener Stadt im fernen Siebenbürgen, die schon zu viel gesehen hat, um sich darüber noch zu wundern.

Bildreich und unaufdringlich erzählt Claus Stephani selbst von unangenehmen Wahrheiten, von einem Regime, dessen medusenähnliche Tentakel heute noch Gift verspritzen, auch wenn sie in Aktenordnern eingesperrt scheinen. Der Teufel, der Sched, spielt weiterhin seine Geige. Wenn es auch immer wieder eine neue Melodie ist.

Angereichert sind die Texte mit Worten der Alten und Weisen aus einer untergegangenen Welt voller Mythen und Zauber, einer Welt, die dem Ethnologen Dr. Claus Stephani bestens vertraut ist.

„Diese Erzählungen habe ich hervorgeholt, um sie zu verschenken. An jeden, der sie hören will.“

Mögen sie ein breites Publikum erreichen.


Kursiv gesetzte Zeilen sind Zitate aus:

Claus Stephani
Vor dem letzten Augenblick
Winsen/Luhe, 2012
978-3-928788-74-8


Im Literaturverlag Hans Boldt erschien ferner:


Claus Stephani
Stunde der Wahrheit
Erzählungen
Winsen/Luhe, 2007
978-3-928788-61-8






Freitag, 27. April 2012

von jahren und zeiten




für ej



als ich damals zu dir kam
die hände voller dunkel
hast du hinein gepflanzt
den rosenstock
mitten im splitternden winter

als ich im frühjahr wieder kam
die finger voller knospen
hast du mich ausgelacht, gesagt   
sie würden eh verdornen

ich fand dich wieder, spät
im herbst nun wuchs die nacht
aus deinen händen-
letzte blüten gab ich dir
 trag einen rosenstein seither 


/c/ bild und text: monika kafka, 04/12

Lyrikanthologie







Mit dieser Anthologie legt die Edition Thaleia eine weitere Projekt-Arbeit vor, die von einem Literaturforum im Internet initiiert wurde. Über viele Monate hinweg haben zwölf Autoren aus vier Ländern Texte verfasst, die sich der dunklen Seite des Lebens annehmen, haben an ihren Texten gefeilt, sich gegenseitig Rückmeldung gegeben und schließlich die besten Beiträge dem Verlag in St. Ingbert vorgelegt, der dafür bekannt ist, „sich solcher literarischer Werke anzunehmen, die weder zeitgenössischen Strömungen noch aktuellen Anforderungen des deutschsprachigen Buchmarkts entsprechen und somit wenig bis gar nicht von den kommerziellen Verlagshäusern beachtet werden“.

Das Ergebnis, für das die beiden Herausgeberinnen Diana Jahr und Stephanie Simon verantwortlich zeichnen: eine in acht Themenkreisen gefasste Zusammenstellung von Gedichten, die ein beachtliches literarisches Niveau aufweisen.

Den Leser erwartet, der Titel lässt es schon vermuten, keine leichte Kost: Themen wie Tod/Freitod, Trauer, Liebeskummer, Alter, Missbrauch, Sterbehilfe … lassen nicht unberührt, fordern heraus zu einer sowohl sehr persönlichen Interpretation wie auch zu einer kritischen oder gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit diesen hoch emotionalen, aufwühlenden Inhalten.  

Einige Texte sind sehr konkret, erlauben einen unmittelbaren Zugang, andere wieder sind eher hermetisch, sehr dicht und fordern den Leser damit auf, den Impulsen zu folgen und mit eigenen Inhalten aufzufüllen. 

Bemerkenswert ist, dass viele Texte nicht in Düsternis verharren, sondern auch hoffnungsvolle Wege aufzeigen oder zumindest durchschimmern lassen.

Die Autoren sind:
Marina Bartolovic
Moshe Sala Chazara
Orit Chazara
Anja Finger
Julia Fürst
Christopher Grimm
Diana Jahr
Sabine Kirchhoff
Ines Oppitz
Heinz Kurt Rintelen
Stephanie Simon
Bianka-Helena Wolf

Diana Jahr & Stephanie Simon (Hrsg.)
Lichtbruch
Die dunkle Seite des Lebens

156 Seiten, Broschur
14, - Euro
 978-3-943382-00-6