schluesselworte

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abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Dienstag, 26. April 2011

Auf Bahnhöfen


Nirgendwo sonst begegnet Leben ungeschminkter als an diesen Orten. Lautes und Leises vermengt sich hier auf eine Weise, die alles offenbart und nichts preisgibt.
Und kein anderer Ort webt mir ähnlich die Geschichten: vielfädig schillernd liegen sie im steinigen Bett, getrennt voneinander und doch miteinander, festgehalten vom stählernen Korsett der Gleise. Man müsste sie bergen, denke ich mir oft, ihnen eine Stimme geben, und sei es nur die eigene.

Melancholie der Bahnhöfe.
Wiedergefundene Lippen spazieren Hand in Hand mit schamhaft abgelegten Blicken. Neben längst verblassten Worten kauern gestrauchelte Erwartungen. Zusammengefaltet, abgenutzt stummen sie sich hin. In zwielichtiger Ecke friert ein abgestandenes Lächeln, grell ausgeleuchtet schmiert sich eine Träne über gepudertes Gesicht. Getrennte Hände und getrennte Leiber. Im Rahmen eines Fensters, einer Tür die Hoffnung, leichenblass, im Angesicht verdrängten Wissens, dass man niemals mehr derselbe ist, wenn man den Zug dann irgendwann verlässt.
Liegengelassen auch die Rose, die Bank verwaist in Rot, darüber tanzt hysterisch Lachen, im Zischen einer Cola Dose.

Gefühle kommen an und fahren ab. Im pfeifenden Rhythmus der Lokomotiven. Doch das war früher. Trieb-wagen ist jetzt. Und manchmal wagt man kaum, sich dem zu stellen und hinzuschaun. Stattdessen zeigt man Nonchalance. Und Contenance, zitronengelb, wälzt sich vorbei an kussverschlungenen Mündern. Es riecht nach allem und nach nichts. Und das nach viel. Nach Einsamkeit. Verirrt wie eine dieser Tauben, die manchmal Federn lässt ...


(c) foto und text: monika kafka, 2010

6 Kommentare:

  1. ein text, der viel stimmung macht!
    ich bewundere immer wieder deine wortgewalt!

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  2. Wir alle sind doch bloß "Reisende in der Zeit",
    in der kurzen Zeitspanne unseres irdischen Seins.
    Ruh-und rastlos schreiten wir voran,
    ("Fortschritt" nennt man das)
    lassen uns treiben vom "Wind des Schicksals"
    Schicksal:
    Den willigen führt es, den unwilligen zerrt es ...
    Zu Fortschritt:
    Ist es ein fort(hinweg)schreiten oder ein voran schreiten ...

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  3. liebe lintschi,

    ein größeres kompliment könntest du mir nicht machen!
    wie sehr freut mich das!

    danke und liebe grüße,
    mo

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  4. lieber alfi,

    das sind gute fragen, die du da aufgeworfen hast. über das wohin unserer reise, das voran - oder doch nur ein hinweg? - schreiten.
    auf bahnhöfen kann man sich so gut von diesen oder ähnlichen gedanken treiben lassen, sie aufspüren, ihnen hinterher lauschen ...
    ich finde das immer sehr spannend!

    hab dank und liebe grüße,
    monika

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  5. Liebe Mo,

    ich kann es gut nachvollziehen...wie oft möchte auch ich auf- oder abspringen vom Zug, vom Irgendwo nach Nirgendwo - und ankommen dort, wo man sich wieder selbst erkennt...

    Sorry für solche Gedanken, die ich grad dazu habe, aber so fühlt es sich für mich an, lächel...

    Einfach Klasse geschrieben - eben wie immer!!!

    herzlich, Rachel

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  6. Ich wünschte mir das "mir" aus den ersten Sätzen fort... Denn wer von uns oft Gereisten und immer wieder Reisenden nicht nur per Flugzeug kennt die beschriebenen Gedanken und Gefühle nicht? Gut hast du sie eingefangen. Mir gefällt besonders das Bild vom "Korsett der Gleise"...

    herzlichst, Elke

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