schluesselworte

schluesselworte
abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Dienstag, 28. Dezember 2010

impromptu

(c) Zeichnung: Olivia Quintin


jahre später
fällt es dir wieder ein:

die fremde hand auf deiner
dir fremd gewordenen haut-

erinnerungen weckend
unter dem viel zu weiten hemd

rubinrot

rankte sich die nacht
um langstielige worte

du trankst und trankst berauscht

während draußen flocken tanzten
und taumelten als wärn sie trunken

jahre später
fällt es dir plötzlich auf:

ein gefälliges gebrauchsstück
war das und eiswasser der wein


(c) Monika Kafka, 12/10

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Und manchmal gab es auch Orangen ...

Trude Vandory, Kirchenburg in Frauendorf, Holzschnitt



Tagsüber hatte es wieder geschneit. Dicke, wollige Flocken legten sich unbeirrbar auf den kleinen Ort. Schicht um Schicht.
Mit der Dämmerung war die Kälte gekommen. Die gläserne Luft raubte einem beinahe den Atem und der gefrorene Schnee ächzte unter jedem Schritt. Von einem fernen Gehöft bellte ein Hund. Sonst war es still.

Auf der spärlich beleuchteten Dorfstraße stapften drei Gestalten durch die anbrechende Nacht. Vorbei an dunklen Häusern, aus deren Kaminen milchiger Rauch aufstieg, vorbei an Höfen, die so verlassen wirkten wie die Glühbirnen, die sie beleuchten sollten und deren Licht nur klein und dünn schimmerte. Hinter den verwitterten Rollläden konnte man die festlich geschmückten Weihnachtsbäume in den Guten Stuben nur erahnen.

Wie so oft war der Bus einfach nicht gekommen. Eine Erklärung dafür gab es nicht.
Ein zwei Kilometer langer Fußmarsch trennte Mutter und Kinder noch von der kleinen Wehrkirche inmitten des Dorfes. Zwei Kilometer durch die eisige und eigentlich verbotene Nacht, die der aufgeklärte Sozialismus am liebsten abgeschafft hätte. Er bedurfte ihrer nicht. Die Menschen wurden nicht gefragt.

„Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging ...“

Während der kleine Junge sich fest an die Mutter schmiegte und nur ab und zu wagte, in einen der Schneehaufen zu hüpfen, redete das Mädchen unaufhörlich vor sich hin. Sein Wunsch, beim Krippenspiel dabeizusein, hatte sich auch in diesem Jahr nicht erfüllt. Dabei wäre es so gerne die Maria gewesen oder zumindest ein kleines Schäfchen.
„Oder ein Mäuschen, Mama, wenigstens ein Mäuschen, das hat es im Stall von Bethlehem sicherlich auch gegeben“ sagte es leise. Und leichter Trotz klang mit.
Stattdessen sollte es nun die Weihnachtsgeschichte nach Lukas vortragen mit seiner klaren, sicheren Stimme. Darauf war es schon stolz, dennoch blieb das ein schwacher Trost. Eine Geschichte vortragen und eine Geschichte spielend erleben – das war eindeutig nicht dasselbe.

„Und Mama, kommt das Christkind heuer ganz bestimmt auch zu uns nach Hause?“ fragte der kleine Junge mittendrin. „Werden wir auch wieder einen Weihnachtsbaum haben?“
Selbst die Kinder wussten bereits, dass es in jenen Jahren durchaus keine Selbstverständlichkeit war, pünktlich zum Fest einen zu bekommen, was keine Frage des Geldes war.

Seit Tagen schon verfolgten die Geschwister das Geschehen im Hause mit größter Aufmerksamkeit.
Da wurde geputzt und gekocht, gebacken und getuschelt – die Kinderfrau und die Mutter hatten plötzlich ganz viele Geheimnisse und alle Hände voll zu tun. Nur im Verhalten des Vaters schien nichts außergewöhnlich zu sein. Er kam wie immer spät nach Hause, spielte und lachte mit ihnen und brachte hin und wieder Geschenke von den Bauern mit, deren Vieh er im Laufe des Jahres behandelt oder gar gerettet hatte. Jetzt, zu Weihnachten, nachdem die Schweine geschlachtet waren, wurde auch er aus Dankbarkeit mit Wurst und Fleisch bedacht.
Doch so sehr sich die Kinder auch anstrengten, alles genauestens zu verfolgen, was rund um sie geschah, einen Tannenbaum hatten sie nicht entdecken können. Weder auf dem Balkon, noch im Keller. Einigermaßen beruhigt hatten sie festgestellt, dass sich im großen Kleiderschrank der Eltern zwar bunte Päckchen häuften, also konnte Weihnachten wohl nicht ganz ausfallen, doch was war dieses Fest ohne Baum? Ohne schimmernde Kugeln und leuchtende Kerzen, ohne Lametta und Salonzucker, von dem am Ende der Feiertage nur glänzendes Stanniol übrigblieb und an vergangene Süße erinnerte? Und ohne Orangen, den duftenden, süßherben Früchten aus einem fernen Land?

„Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war ...“

Als sie am Haus des Lehrers vorbeigingen, wehte ihnen ein leichter Wind die ersten Glockentöne entgegen. Nun war es nicht mehr weit.
Bald darauf erreichten sie das Haus des Schneiders, und da war auch schon die kleine Brücke, hinter der sich die Kirche und die sie massig umringende Mauer schemenhaft in der Dunkelheit abzeichneten. Das angrenzende Schulgebäude stand ebenso verwaist da wie die umliegenden Häuser. Sie waren wirklich spät dran.

„ ... denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“

Das große Eichentor öffnete sich mit einem leichten Knarren. Sie betraten den Kirchhof, eilten dem überwölbten Eingang zur Kirche entgegen, vorbei an den Speckkammern und dem fast schon geheimen Stübchen, in dem samstags der zwar verbotene jedoch tolerierte Religionsunterricht stattfand.
Wie oft schon hatten diese Mauern im Laufe der Jahrhunderte Schutz und Geborgenheit geboten und das nicht nur am Weihnachtsabend? Wer hätte an diesem Winterabend geahnt, daß sie einmal selber schutzlos dastehen würden, angewiesen auf barmherzige oder edle Spendengelder – je nachdem – von denen, die sie verlassen sollten, um ihr Glück in der Fremde zu suchen, in einer Gemeinschaft, die nicht die ihre sein würde?
An diesem Abend freilich war davon noch nichts zu spüren und auch nicht daran zu denken. An diesem Abend war alles so wie immer.

Auch wenn die drei Verspäteten wussten, was sie beim Betreten der Kirche erwartete, verschlug es ihnen wie jedes Jahr erstmal den Atem.
In vollkommener Stille und erhaben in seiner Schlichtheit stand er da, vor dem Altar: der Christbaum. Geschmückt mit Äpfeln, Nüssen und Strohsternen, war er eingetaucht in mildes, hundertfaches Kerzenlicht, das sich in staunenden Kinderaugen spiegelte.
In Festtagstracht gekleidet, kunstvoll bestickten Kirchenpelzen und langen Borten, saßen Männer und Frauen streng voneinander getrennt in ihren Bankreihen.
Als die kleine Orgel erklang und die Gemeinde „Vom Himmel hoch“ anstimmte, ahnten alle, dass sich nun tatsächlich das Wunder von Weihnachten, wenn auch nicht wiederholen, so doch in der Erinnerung daran ereignen könnte und somit niemals verloren sein würde.

Als die Mutter mit ihren Kindern spätabends in den Bus stieg und die gut zwei Kilometer heimwärts fuhr, nahmen sie das Licht der kleinen, alten Dorfkirche sowie die Hoffnung auf friedliche Tage mit nach Hause. Vater würde – wie jedes Jahr – das Glöckchen läuten und danach erstaunt das Fenster schließen, durch das ein letzter, kalter Windzug in die warme Stube drängte, gleich dem verirrten Flügelschlag eines fernen und doch anwesenden Engels. Der Weihnachtsbaum leuchtete sicherlich, wie immer. Und vielleicht würde es auch wieder Orangen geben und jenen Duft, in den Weihnachten damals getaucht war, den fernen, geheimnisvollen Duft von Bethlehem ...


(c) Text und Bild: Monika Kafka


Ich wünsche allen meinen Freunden und Lesern eine schöne, friedvolle Weihnachtszeit!

Eure Monika

Montag, 20. Dezember 2010

aus stille

(c) Foto: Dieter Vandory
aus stilleschneid ich das halbwort

setz es aus
dem winterlichen wind

auf seinem rücken treibt
es zu dir hin hör nur

in deiner muschel
rundet die perle

und in der dunkelkammer
des herzens

wird es uns endlich ganz
licht


(c) Monika Kafka, 12/10

Dienstag, 14. Dezember 2010

wenn orgelpfeifen frieren


(c) Foto: Dieter Vandory


wenn orgelpfeifen frieren
trauern die töne
im heiseren licht

das ohr hört sich wund
an der kristallenen stille

und in den weiten räumen weißt
selbst mein schatten
im wind

(c) Monika Kafka, 12/10

Donnerstag, 9. Dezember 2010

in dunkelnächten


(c) Foto: Dieter Vandory
In Dunkelnächten
leuchtet mir noch immer
jener Dezembertag
in wankelmütigen Flocken

(dabei trug ich kein weiß)

bald schreiben wir
den zehnten Winter und ich
hänge fest in Eiskristallen
wish you where here
doch du
kennst das Lied nicht...
(c) Monika Kafka, 2010

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Aus aktuellem Anlass

Die Debatte um Oskar Pastiors Securitate-Akte zieht weitere Kreise. Immer mehr rumäniendeutsche Autoren geraten in einen Sumpf aus Verdächtigungen, Misstrauen und übler Nachrede. Die sog. „Beweise“ für angebliche Spitzeltätigkeiten sind entweder dürftig oder zumindest sehr fragwürdig.

In diese regelrechte Schlammschlacht wurde nun auch der von mir sehr geschätzte Autor und Freund Claus Stephani hineingezogen. Öffentlich angeprangert von führenden rumäniendeutschen Autoren und Literaturwissenschaftlern hat er eine Gegendarstellung verfasst, die heute, 8.12.10 erschienen ist und die ich hier in vollem Umfang wiedergeben möchte, weil ich wie er der Ansicht bin, dass „differenzierteres Denken, Nachdenken und Überdenken gefragt ist, bevor jemand im Schnellverfahren von selbsternannten Richtern öffentlich beurteilt und verurteilt wird.“


8. Dezember 2010
Wer war eigentlich IM „Moga“? – Stellungnahme von Claus Stephani

Zu dem Bericht von Peter Motzan "Ein Bericht des IM 'Moga' und seine Folgen", der mir vorab von der Redaktion zugeschickt wurde, mit der Bitte, dazu in vorgegebener Kürze eine Stellungnahme zu schreiben, will ich mich nun äußern. Es geht auch hier um die Berichte des IM „Moga“ alias Claus Stephani. Wie ich vor knapp 50 Jahren zu diesem Decknamen kam und wann er nicht mehr meiner war, habe ich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20. November 2010, Seite 35, dargestellt, und dazu stehe ich.

In dem von Motzan zitierten, maschinegeschriebenen „Notă-Raport“ vom 27. Februar 1976, Unterzeichner Major Gheorghe Preoteasa, werden die Namen von drei Redaktionsmitgliedern der Neuen Literatur genannt, die beim Besuch der westdeutschen Publizistin Renate Windisch-Middendorf zugegen waren: Anemone Szász Latzina, Elena Călin und Claus Stephani. Windisch-Middendorf überbrachte ein Buch von A. U. Gabanyi für Peter Motzan. An diesen Besuch kann ich mich vage erinnern, doch ich weiß nicht, wer sich damals gerade nebenan, im Zimmer der beiden Chefredakteure aufhielt, oder wer zeitweilig noch bei uns war, wo – wie in jeder Redaktion – ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Verwunderlich ist, dass IM „Moga“ alias Stephani in seinem Bericht auch Claus Stephani erwähnt – auch wenn man damit beweisen will, dass er zugegen war. Motzan behauptet, oben genannter „Notă-Raport“ soll die Eröffnung des „operativen Vorgangs ‚Mocanu’“ und damit seine persönliche Beschattung verursacht haben. Das aber kann so nicht stimmen.

Mir liegt eine „Notă Sinteză“ vom 18. April 1986 vor, unterzeichnet von Colonel Constantin Banciu, aus der hervorgeht, dass „Motzan Petru“ (sic) bereits seit 1969 unter Beobachtung der Securitate stand, unter anderem weil er – auch privat – Kontakte zu westdeutschen Kollegen am Lehrstuhl pflegte und seine publizistische Arbeit bereits 1978 von Radio Europa Liberă sehr positiv bewertet wurde usw. Im letzten Teil dieser Synthese, betitelt „Măsuri“, d. h. Maßnahmen, wird die verschärfte Beobachtung Motzans angeordnet: durch die Bespitzelung seitens einiger Kollegen, durch das Anbringen spezieller Abhörgeräte („se vor instala mijloace speciale“) in seinem Arbeitsraum an der Universität und in seiner Wohnung, durch geheime Durchsuchungen („percheziţii secrete“) seines Arbeitsplatzes und der Wohnung. Ferner will man weitere Informanten anheuern. Motzan schreibt, dass ihn, 1971-1989, insgesamt 32 IM bespitzelt haben. Außerdem verweist Motzan in seinem Referat auch auf einen kürzlich erschienenen Beitrag von William Totok in der Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Heft 1 und 2/2010. Hier würde Totok „als Erster die Identität des IM ‚Moga’ enthüllen. Es ist, laut Totok, Claus Stephani...“.

Dieser Aufsatz von Totok bezieht sich u. a. auf eine Gedichtmontage der Aktionsgruppe Banat in der Neuen Literatur, Heft 4/1974. Über diese Gedichte hätte „Moga“ alias Stephani in einem Bericht vom 30. September 1974 „in einem bösartigen Rundumschlag, der in gravierenden politischen Denunziationen gipfelte...“, die Texte analysiert, im Besonderen ein Gedicht von Gerhard Ortinau. Totoks Unterstellungen basieren auf einem maschinegeschriebenen, undatierten Text, der keine Unterschrift trägt. Dazu nun Folgendes.

Erstens: Warum sollte ich jene Zeitschrift, wo ich als Redakteur arbeitete, durch eine derartige Analyse so gefährden, dass sie eventuell verboten wird?

Zweitens: Diese Gedichte, wie auch alle anderen Texte, wurden – wie jedem bekannt ist – vor der Veröffentlichung von der Zensur gelesen und dann bewilligt oder zurückgewiesen. So verantwortete primär die Zensur für jeden publizierten Text.

Drittens: Die von mir im Juli desselben Jahres herausgebrachte Anthologie „Befragung heute. Junge deutsche Lyrik in Rumänien“ (Kriterion Verlag, Bukarest, 1974) enthält Gedichte von 24 jungen AutorInnen, darunter auch Gerhard Ortinau, Rolf Bossert, Anton Sterbling, Peter Grosz und Albert Bohn. Das Buch kann in deutschen Bibliotheken ausgeliehen werden. Ich habe gerade in jener Zeit junge Autoren gefördert (z. B. als Leiter des Bukarester Literaturkreises und des Poesie-Clubs). Nun soll also ausgerechnet ich außer den genannten fünf Autoren meiner Anthologie auch andere denunziert haben? Damit hätte ich ja zuerst mir selbst geschadet und das Erscheinen der Anthologie verwirkt. Die negative Bewertung jener Gedichte wurde – wie aus der Akte ersichtlich – von einem IM „Moga“ geliefert. Doch jener IM „Moga“ war nicht ich.

Aufgrund solcher „Beweise“, die nur maschinegeschrieben vorliegen, nun eine medienweite Kampagne loszutreten, ist unverantwortlich.

Claus Stephani

Donnerstag, 2. Dezember 2010

dezembernebel

(c) Foto: Jürgen L. Hemm


dezembernebel
und aufgepeitschter wellenschlag

der kapitän ging über bord
herrenlos schwankt das schiff

was du gesagt hast ja
ich weiß ein leuchtturm
ist irgendwann wieder in sicht

nur dass es so kalt ist mutter
so kalt

und keine hand
auf der fiebrigen stirn


(c) Monika Kafka, 2010

Samstag, 27. November 2010

bitter



(c) Aquarell: Olivia Quintin


und wieder
hätte es sein können

dass unser sehnen
im gleichklang schwingt

stattdessen reichst du mir
den mandelkelch

zur nacht die worte
haben uns beiden

nicht gemundet


(c) Monika Kafka

Montag, 22. November 2010

murnau - eine liebe

(c) Bild: Gerd Messmann


im kleid der frostrosen
erwart ich dich

wenn die nacht ihr eishaar kämmt
stürzen die sterne auf deinen weg

du wirst kommen
genadelten schrittes wirst du

durchschreiten das schwarz
ummantelte gebirg

wenn moorgeister geifern
an deiner seite

sag ihnen ein
das sehnsuchtsbrot

werden wir teilen und weiteres
holz dem feuer geben


(c) Monika Kafka, 11/10

Dienstag, 16. November 2010

LESUNG

„zögernd nur bröckelt der stein“ …
adolf meschendörfer



monika kafka liest lyrik und kurzprosa

an der harfe: hiltrud florescu



mittwoch, 24. november 2010
vereinsheim der siebenbürger sachsen,
am baggerweg 11, 85051 ingolstadt
beginn 19.00 uhr, eintritt frei

Samstag, 6. November 2010

novemberliebe


(c) Foto: Dieter Vandory


novemberliebe, ausgesetzt
im rinnsteinn der zeit

durchklirrt der wind
ihr knochenkleid und kein hund
den das schert

modrige blicke schweifen
darüber hinweg

stummes händereichen
und weitergehn


(c) Monika Kafka

Dienstag, 2. November 2010

am abschiedsgate


(c) Foto: Zakkinen


am abschiedsgate


stürzt mein blick noch einmal
in die tiefe unsers sommers


als worte weich
die sehnsucht schwer
und ausgesetzt jede kontrolle


durchleuchtet das gepäck
noch einmal
das ich jetzt tragen muss
allein durch diesen winter


du winkst
und wünschst mir leise
noch einen guten flug



(c) Monika Kafka, 11/10

Freitag, 24. September 2010

/sei deinen abschieden voraus ... / - rose ausländer

(c) Foto: Dieter Vandory

/sei deinen abschieden voraus .../rose ausländer




ertränk
die lächerlichen rosen
und das schiefe lächeln
des sommers


ausgefranstes herz
wird eingedunkelt
überstehn auch diesen


der an den rändern schon
leckt


geh ihm voraus
genadelten schrittes


leg dich
in seine brandige spur


und knote
ins netz des vergessens


beizeiten
den neuen mit ein
 

© Monika Kafka, 2010

Mittwoch, 15. September 2010

Fine stagione



(c) Foto: Dieter Vandory






Fine stagione


Zugegeben:
die Tage verschatten jetzt
schneller und müder Glanz
liegt auf der Mittagszeit


Einsilbig tippt selbst die Signora
im supermercato des Sommers
Ausverkauf in ihre Kasse ein


Das Land nimmt stetig sich zurück
veratmet still
auf lehmig aufgerissner Erde

Und dennoch wölbt sich
dieses Blau
verschwenderisch per sempre
als wäre es zum letzten Mal



© Monika Kafka, 2010

Freitag, 20. August 2010

Blogpause

(c) Foto: Dieter Vandory



Liebe Freunde,

bis Mitte September werde ich Wind und Wellen, Pizza und Pasta genießen.
Und vielleicht bringe ich euch bei meiner Wiederkehr die Flüsterworte der Pinien, den Gesang der Meerjungfrauen und die Geheimnisse der Dünen in Form von neuen Gedichten mit ...

Eine gute Zeit bis dahin wünscht euch allen,

Monika


VORANKÜNDIGUNG


Ménage à troisVon Liebe und anderen Ungereimtheiten

Lesung im Late 68
 
Autoren
des Literaturforums
Blauer Salon
lesen Lyrik und Prosa

Monika Kafka
Nikolaus Kahlen
Elsa Rieger

Samstag, 30. Oktober 2010 Ümminger Str. 2b
44892 Bochum
Beginn 19:30, Eintritt frei

Montag, 16. August 2010

venedig


(c) Foto: Thom Kafka

ans südtor des herzens
weht wieder dein atem

aus modrigen wassern
und verschiffter erinnerung

webst du dein dunkles netz
engmaschig stetig

drängt angestaute luft
aus vielarmigen kanälen

die schlupflöcher werden
mir knapp ich öffne bald
das tor

© Monika Kafka, 2009

Freitag, 6. August 2010

was übrig bleibt


(c) Foto: Dieter Vandory

das segel eingerollt
darin gebrochene gedanken

traumentflochten
schattenlos und fest verzurrt

am rotmast aufknospende augen
trotzen unverdrossen

dem sturm


© Monika Kafka, 26/07/10

Montag, 26. Juli 2010

und wieder


(c) Foto: Dieter Vandory

abends
wenn die Zeit ins Abseits fällt
steigen deine Worte
aus brüchigen Briefen

so liebst du dich
unter meine Wimper

über die stummen Gewässer
aus Jahren und Tagen
gleite ich dir entgegen

die Hand
voll angestaubter Silben

wieder
leisten wir uns keine Gondel
und die Rückfahrkarte
gilt nur im Traum




© Monika Kafka, 2009

Mittwoch, 14. Juli 2010

Venezianische Notizen

(c) Foto: Thom Kafka


Venezianische Notizen

Die Serenissima empfängt mich kühl, fast schon gekränkt wie eine Diva, die man zu lange warten ließ. Sie ist gealtert, denke ich, und das nicht unbedingt in Würde.
Wie lang schon blieb ich fern? Wolkenberge türmen sich im angestauten Atem der Lagune. Ich rechne langsam nach. Gewissenhaft. Und setze rasch die Sonnenbrille auf. Modisch. Teuer. Überdimensional. So muss das hier sein. Wieso nur hab ich das Gefühl, als lächle della Salute milde?

Ihre sichtbaren Blessuren. Kein marmorweißer Gruß eilt dem vom Meere Kommenden entgegen. Die stets Garant für sichre Ankunft war, braucht heute selber Schutz. Und Hilfe. Unter ihren grauverpflasterten Wunden weint steinern die Zeit.
Wir verstehen einander. Und ich wage es, den Weg rückwärts zu gehen.
Alla ferovia ... Zum Bahnhof ...

Moderner Spießrutenlauf. Kein Durchkommen im Ausverkauf des Gutgeschmacks. Während zwischen schaukelnden Gondeln und kreischenden Touristen italienische Vokabeln flattern. Möwengleich. Frech. Die Preise, der Phantasie entsprungen. Wie damals schon. Vermutlich wie schon immer. Heut hätte ich das Geld dafür, doch wer will schon durch abgestandene Gewässer rudern?

Kosmetik auch am Dogenpalast. Vor blauem Hintergrund erstrahlt das neue Auto. Überdimensional. Teuer. Quer zur Jahreszeit. Das muss wohl so sein. Ich seufze an der falschen Stelle, die überall richtig erscheint.

San Marco jetzt (fast) ohne Tauben. Ich lächle tapfer ins Objektiv. Und sehe mich am Canal Grande. Gewagte Shorts, verwirbeltes Haar, im Lachen ganz authentisch. Einziges Bild, das mir nicht nur Erinnerung blieb. Der einzige Beweis dafür, dass ich hier schon einmal war. Als wenn es für das Glück Beweise bräuchte.

Zumindest ging ich nicht ungeküsst ins Bett. Damals. Ganz abgesehn davon, dass es keins gab, war uns der Schlaf nicht mehr als unbestimmte Fremdvokabel.
Nur den einen Löwen find ich nicht, zu dessen Füßen du gelegen. Das zweite Bild, das mir die Zeit gelassen hat, lebt weiter nur in mir. Dein Brombeerhaar legt sich wie Schleier über sommerliche Dunkelschwüle.

Eingefrorne Bildsequenzen.
Die dei Frari leuchtet noch. Abgehoben, kühn, wie ich sie damals gar nicht sah. Und das Fenice. Inszenierte Alterslosigkeit. Immer wieder auferstanden. Die Bühne wie das Leben.
Alla ferovia ...

Wir feierten den Glanz im Untergang. Aus Lust und Überheblichkeit. Bronzene Zeitgesetze auszuhebeln, glaubt nur ein Dummkopf oder- Jugend.

Ich will es doch nochmal versuchen. Und nehm das Vaporetto, vom Bahnhof, zurück in die Lagune ...


© Monika Kafka, 2009

Freitag, 25. Juni 2010

Und diese Stunde


(c) Foto: Dieter Vandory


Und diese Stunde
die mich anschaut
und sich wölbt in meine Stille

blaudurchstickt
im Muster deiner Augen

Und wie sie spricht
zu mir mit dieser Stimme
die sich weitet und mich zieht
mit hinter die Zeigergrenze

Sie nimmt mir ab die Schleier
und schaudert nicht
vor meinem offenen Gesicht


© Monika Kafka, 05/10

Montag, 21. Juni 2010

zuhause


Foto: Dieter Vandory



zuhause wo

ist das jetzt
da dort

die zeit
aus dem gehäuse fiel
erschöpft

schneiden die zeiger
an den rändern ein
was es geschlagen hat

zuhause
ist nicht mehr

als nur zersplittertes
in mir


© Monika Kafka, 2010

Freitag, 18. Juni 2010

im grüngefädelten licht


(c) Foto: Dieter Vandory

zum beispiel brombeerranken

über erdigen sommern
dunkelsüße

im grüngefädelten licht

summt sich die biene
zwischen rosmarin und phlox

honigwolken

nisten im maulbeerbaum
während auf verdornten wegen

pans flöte schweigt



(c) Monika Kafka, 2010

Donnerstag, 17. Juni 2010

zauber


Foto: Dieter Vandory

leg dich zu mir. wir mischen uns
den traumcocktail zur nacht

aus elfentanz und sternenstaub
und tödlichem alraun

wieviel wir davon trinken werden
bestimmen wir allein durch
los

leg dich zu mir. wir mischen uns
zurecht die nacht mal klein
mal groß

(c) Monika Kafka, 2010