schluesselworte

schluesselworte
abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Samstag, 15. Oktober 2011

Vier Jahreszeiten - von Olivia Quintin

Gast auf meinem Blog ist in diesem Monat die Künstlerin Olivia Quintin.
Ihre große Leidenschaft ist das Aquarell, das sie "magisch" nennt und dessen Zauber für sie im Zusammenfließen der Farben und Formen besteht.
Sie experimentiert mit allen Techniken. Motive/Themen findet ihr aufmerksames Auge in der Natur, ihre bretonische Heimat ist ein schier unerschöpfliches Reservoir dafür. Olivia Qintin präsentiert ihre Arbeiten regelmäßig auf ihrem Blog und immer  häufiger auch bei Ausstellungen. 
Für den hier vorgestellten Zyklus der "Vier Jahreszeiten" hat sie sich zusätzlich von der Musik Vivaldis inspirieren lassen - wie schön es doch wäre, wenn dieses Zusammenspiel der Künste noch um Poesie erweitert werden könnte ...  
Lasst euch inspirieren!


/c/ olivia quintin - printemps


unter den linden
dein gekräuseltes wort


















als aimée erwachte
hatte der himmel ein frisches kleid an-
gezogen von schleierndem weiß
auf  bläulichem grund verlor sich
ihr blick im changierenden muster wie
lang hatte sie wohl ausgeharrt
zwischen verkrusteter erde und
vereister luft im flachen atem
füllte sich jetzt die brust
mit wachsender ahnung von
ihren wurzelfüßen hinauf
ins verzweigte haar trieben
die träume knospen herzförmige
vorboten der süße deines
gekräuselten wortes
das nach heimat schmeckt
der linden

/c/ monika kafka, 2011

/c/ olivia quintin - été



/c/ olivia quintin - automne


du

in der mondschmiege
sprichst mir
brombeeren
zwischen lippen
fließt zu mir
auf sommerwein
der im wort
überwintert

nicht nur
am morgen
schmecke ich

deinen namen


/c/ diana jahr, 2011




/c/ Olivia Quintin - hiver



Sonntag, 9. Oktober 2011

Im Gegenlicht


Im Gegenlicht
steht jetzt der Sommer
kämmt letztes Leuchten
aus dünnem Haar
fallen noch ab
für uns ein paar Träume
gespiegelt im Weiß
einer streunenden Wolke

Sein schiefes Lächeln
zieht seltsame Kreise
über dem See
entlaubt sich langsam der Blick-
wir schälen die Zeit
zwischen unseren Händen
bleibt noch ein Rest
von schütterem Glück


/c/ bild und text: monika kafka, 10/11

Mittwoch, 28. September 2011

nichts bleibt

/c/ dieter vandory, 09/11



nichts bleibt
außer den toten
blättern
im gepressten duft
des sommers


zwischen tollkirschen
und seidelbast
suchen die lampionblume
macht das licht aus


/c/ monika kafka, 09/11

Montag, 26. September 2011

o.t.

/c/ dieter vandory, 2011


und wie du mein haar
berührt deine stimme
gelegt um mein verwundetes
herz /so oft/ umsponnen
mit heilenden händen
die fäden entknotet
die meinen blick verhängt

hast meine schritte
geleitet wenn kein weg mehr
in sicht
mich getragen und geboren
begraben hab ich dich

in einem sonnigen oktober
im vogelbeerenrot und rost-
rissig wachsen die schatten
mutter
an keinem tag so sehr wie heut



/c/ monika kafka, 26/09/11

Freitag, 23. September 2011

vorbei

/c/ dieter vandory



du gehst wie du gekommen:


mit tastendem blick
und leichtem wortgepäck
unsicheren schrittes
durch die hintertür

letzte silben rollen
von kammer
zu kammer
zerfällt
das sagbare
buchstäblich
vor unseren augen

dreht sich
der herzschlüssel
ins schloss



/c/ monika kafka, 2011

Donnerstag, 15. September 2011

Clouds ...

/c/ foto: monika kafka, 09/11


R. I. P.
dear Kenny!

Montag, 12. September 2011

in memoriam 07.09.11

günther moro, laxenburg, april, 2011

R.I.P.


erwacht im genadelten schatten der pinien.
darüber gestaut, ein milchiger himmel – bühne frei für ihren auftritt: brennend schon am morgen, keinen zweifel darüber aufkommen lassend, wem der tag gehören wird und doch:
um ihren glühenden kranz lag ein dunkler reif, der sie am ungehemmten strahlen hinderte.

das meer – flüssiges glas in jade.
endlich besänftigt nach tagen voller schäumender wut.

eine kleine kapelle unter freiem himmel.
auf irgendeinem campingplatz im veneto.
vormittag, 10 uhr.

zwitschernde vögel, flirrendes licht, flüsternde luft.
ansonsten stille.

zwei menschen auf einer bank.
fünf teelichter auf dem altar.
plastikblumen und eine ausgebleichte mutter gottes im hintergrund.

gefaltete hände.
gefaltete erinnerungen.
gefaltete worte.

damit sie nicht verdunsten.
unter der verschleierten sonne.
an einem kleinen ort im veneto.

es gibt keine fotos.
es gibt nur diese zwei menschen.
und fünf teelichter.




/c/ monika kafka, september, 2011


Mittwoch, 24. August 2011

BLOGPAUSE

/c/ thom kafka




liebe freunde und freundinnen, liebe leserInnen meines blogs,

ich freue mich, euch ab dem 15. september hier wieder zu begrüßen.

eine gute zeit bis dahin,

eure monika

Sonntag, 21. August 2011

notte italiana



/c/ foto: thom kafka



Die Nacht legt ihre Netze aus


Im Sternmosaik spazieren
Pfauen und geflügelte Löwen
wachen an goldenen Pforten

Sprich nur mit halber Zunge
Hinter dem Muschelgesicht
wachsen kobaltblaue Worte

in die enthoffte Zeit

 
 
/c/ monika kafka, 2009

Samstag, 30. Juli 2011

Der Weg des Onkels




Nachdem er den Tag verräumt hatte, setzte sich der Onkel auf die Bank vor seinem Haus und blinzelte in die untergehende Sonne. Die Turmuhr schlug sechs Mal und dazwischen knallten Peitschenhiebe. Von einer lärmenden Kinderschar begleitet, würde das Vieh bald die Dorfstraße entlang kommen, angetrieben von Ion, dem Hirten.

Umständlich drehte sich der Onkel, der nicht mein Onkel war, eine Nationale. Zündete sie an, lehnte sich zurück und stieß genüsslich blaue Kringel in die Luft.
So wartete er bei schönem Wetter immer, auch wenn vor seinem Tor schon seit Jahren keine Kuh mehr stehen blieb. Wartete auf diesen Augenblick, da der Tag dem Abend die Hand zum Abschied reichen würde.

Bevor es jedoch soweit war, saß er einfach nur da. Rauchte und lächelte in den schmalen Lichtstreifen am Horizont. Hatte er die Augen geschlossen, schien mir, als würde sich hinter seinen Lidern der Vorhang zu einem geheimen Theater heben, in dem er der einzige Zuschauer war.

Ich habe ihn nie gefragt, was auf dieser Bühne gespielt wurde. Ich setzte mich einfach zu ihm in seine Stille.

Manchmal, wenn er die Augen kurz öffnete und mich sah, lachte er mir zu. Dann hüpfte der kleine Schnauzbart an seiner Oberlippe auf und ab, und die bauschigen Ärmel seines Leinenhemdes legten sich an den Schultern in windige Falten.

Es schwieg sich gut zusammen.

„Der Onkel träumt“, pflegte seine Frau zu sagen.

Ich wusste schon damals nicht genau, was sie damit meinte. Wie kann der Onkel denn träumen, wenn er doch gar nicht schläft, fragte ich mich stattdessen.
Und selbst heute bin ich mir nicht sicher, ob die Tante ihn insgeheim darum beneidete oder ob sie nicht doch leise über ihn spottete.

Sie hatte ihre Haare zu zwei Zöpfen geflochten, die sie festgesteckt um den Kopf herum trug. In diesem Haarnest verbargen sich ihre Gedanken. Und vielleicht, so malte ich mir weiter aus, auch ihre kleinen Spatzen, die sie nicht hatte großziehen können. Deshalb war sie Kinderfrau geworden, hatte mich lieb und ihre Lieben dennoch stets bei sich.

Für die Tante nämlich, die nicht meine Tante war, war der Tag niemals verräumt. Sie hielt ihn ständig in den Händen. Nur in der Kirche faltete sie ein Gebet dazwischen. Sonntags. Und nur wenn sie danach, noch in Festtagstracht gekleidet, neben ihrem Mann auf der Bank saß, legte sie die Hände in den Schoß. Dann ließen beide, Onkel und Tante, das Leben auf der Straße an sich vorüberziehen: schwatzende junge Menschen, Städter auf Verwandtschaftsbesuch, vereinzelt Fremde und immer häufiger durchrasende Autos.

Eines Tages, ich war schon längst erwachsen, kam auch ich mit einem dieser fremden, schnellen Autos von weither angereist. Ich setzte mich wie früher neben den Onkel auf die Bank in der dünnen Sonne. Nach einer Weile fragte er plötzlich:

„Sag mal, wie schaut es denn heute eigentlich in München aus?“

Ich war so verblüfft, dass ich ihn zunächst nur ungläubig anstarrte. Noch nie hatte er mich während seiner Abendstunde angesprochen.

Was soll ich ihm erzählen von einer Stadt, einer Großstadt, deren Ausmaß an Leben und Weite er, der seine kleinen Tage in seinem kleinen Dorf verbrachte, sicherlich nicht wird begreifen können? Und meine Antwort ließ auf sich warten. Zu lange, denn er fuhr fort:

„Erzähl mir vom Marienplatz. Es ist doch bestimmt wieder alles aufgebaut und schön hergerichtet worden. Beschreib es mir. Und dann den Rindermarkt, die Straße mit der Asamkirche, ach ja, und das Sendlinger Tor, die Sonnenstraße ... Gibt es wieder Trambahnen?“

Jetzt verschlug es mir erstrecht die Sprache. Die Straßennamen, der Rathausplatz, er sprach alles so selbstverständlich aus. Nannte zusätzlich Details, als befände er sich gerade auf einem Spaziergang durch die Innenstadt, als sähe er Bilder, die ich niemals gesehen hatte. Und dann erzählte er weiter: von zerstörten Häusern und Straßen und herumirrendem, hungrigem Leid, von löchriger Angst und müden Soldaten, von wunden Füßen und schmerzhaften Wegen und schließlich von dem einen, unendlich langen. Durch all die Aschezeit hindurch bis ins Land jenseits der Wälder. Zurück nach Hause.

Von diesem Tage an saß der Onkel nicht mehr allein in seinem Theater, wenn ich ihn besuchte. Und vielleicht hatte sich auch die Vorstellung allmählich zu verändern begonnen. Für ihn. Ganz sicher jedoch für mich.



/c/ monika kafka, im grüngefädelten licht, 2008

Sonntag, 24. Juli 2011

Großväter

/c/ foto: dieter vandory


Der eine trug sein Kreuz
rot aufgemalt /man sagte mir/
nicht nur bis Stalingrad

Fern war dort Hippokrates
und längst gebrochen
der Stab des Äskulap

das Heil versickerte im Schnee
/wie klang danach
sein Lautenspiel?/

Der andere entkam
zunächst

zwischen Reißbrett
und Maschinenträume schob
ein Fließband Bombenflieger

nicht nur in Tusche –

Ein vollbesetzter Irrtum
/der Geschichte, wie man spät erfuhr/
trug ihn schließlich doch noch fort

für immer

hinter ausgediente Fronten
ins neue Bruderland
voll von schwarzem Schnee

Väter
waren sie beide doch groß
bleibt nur die Frage

was hätten sie mir wohl erzählt?



/c/ monika kafka, aus: 10 x 10 = 100, ein lyrikprojekt, editon thaleia, 2009

Donnerstag, 14. Juli 2011

zwischen uns - die doppelklinge /m. zwetajewa/


aneinander im sog

wortflutend
geschliffene silben
treiben speere
unter die haut
klar & tiefrot
schürfen verse
an meinem herzen vorbei
spiegeln deine schärfe
so nah

zwischen klingen – doppeln wir uns

/c/ diana jahr, 2011


Die Autorin Diana Jahr schreibt Lyrik und Prosa.
Veröffentlichungen in diversen Zeitschriften und Anthologien.
Derzeit Arbeit an der Herausgabe einer Lyrikanthologie sowie
ihres ersten eigenen Gedichtbandes.



/c/ foto: dieter vandory



antwortgedicht:

wessen wille
deiner oder meiner
offenbart sich im gedicht?
zwischen uns
die doppelklinge
aus versuchung und verzicht

zweischneidig
nicht nur die verse die lust
am wort verführerisch
getrenntverbunden
durch die schärfe den schmerz
ertragen als gewinn


/c/ monika kafka, 07/11