schluesselworte

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abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory
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Donnerstag, 27. September 2012

Christa Issinger, Die Liebe ist nicht rot














Der Titel dieses Lyrikbandes, eine Verszeile aus dem Gedicht „Untergang“, ist gleichzeitig Programm, macht er doch unmissverständlich klar, dass hier lyrische Traditionen bekannt sind und daher auch bewusst gebrochen werden können.
Das beweisen die Gedichte in diesem Buch auf eindrucksvolle Weise.

Facettenreich und schillernd, geschliffenen Kristallen gleich, offenbaren sie eine sensible Lyrikerin, die mit ihrem Arbeitsmaterial, der Sprache, meisterhaft umzugehen versteht. Und ihr auch einiges abverlangt, um die Grenzen des Sagbaren auszuloten.

So ist denn auch die Sprache selbst, neben den vielfältigen Formen von Zuneigung und Liebe im Wandel der Jahre und der Zeiten, ein wichtiges Thema im Schreiben von Christa Issinger.

Zeitlose filigrane Texte haben in diese Sammlung Eingang gefunden. Texte, in denen die leisen Töne dominieren, metaphernreich, dabei ganz im Jetzt und Hier verankert. Sie erschließen sich dem Leser im steten Wechsel von Ausgesprochenem und Ausgespartem, sie eröffnen Räume, die er aufgrund eigener Erfahrungen und Assoziationen auffüllen kann.

Christa Issinger hat etwas zu sagen – und sie tut das wortgewandt, gedankentief, schön.


Monika Kafka


Samstag, 21. Juli 2012

isabella kramer - weniger bis meer




















"diese nordisch hellen Weiten
Tage ganz mit Blau gefüllt
weiches Licht auf hellen Stränden
Wind, der Sehnsucht weckt und stillt"



In unserer lärmenden hektischen Zeit sind die Gedichte Isabella Kramers leuchtende Inseln der Stille und der Kontemplation, aber niemals der Resignation oder gar Weltabgewandtheit.
Ihr Gedichtband weniger bis meer beinhaltet Texte, die im Rhythmus der Jahreszeiten gehen und viel mit der norddeutschen Heimat der Autorin zu tun haben.
Sie zeugen von einem wachen neugierigen Blick selbst auf die kleinsten Dinge des Lebens und von einem großen Gespür für Sprache und Rhythmus:

„Dennoch
webt sich ins Land
mit sanften, leisen Tönen
/…/
haucht Hoffnungsgrün
auf gestern noch Lebloses

und gipfelt in dem Veilchen
zwischen engsten Fugen
unbändig, morgig mahnt
der Frühling Leben an“

Bilderreich und wortgewandt stellt die Autorin ihre Motive in immer wieder neue Zusammenhänge, beleuchtet das ewige Stirb und Werde in der Natur und setzt es geschickt und in mannigfacher Weise in Beziehung zum Menschen.

Den vier jahreszeitlich angeordneten Kapiteln ist eines vorangestellt, in dem das Element Wasser dominiert. Die lebensspendende, alles erneuernde Kraft des Wassers ist auch symbolisch zu lesen für Isabella Kramers durchweg positive Lebenseinstellung.
Immer wieder kehrt das lyrische Ich in den Gedichten zurück ans Meer, um hier im Einklang mit den Elementen zu sich selbst zu finden, sich seiner eigenen Kraft und deren Wurzeln zu vergewissern.

Dem Dunkeln, machtvoll Zerstörerischen wird wenig Raum gegeben und falls doch, dann immer nur als die andere Seite der Medaille, die man kennen und akzeptieren muss, um bewusster das Jetzt und Hier, das Helle und Freundliche erleben zu können:

„lehne mich gegen den sturm
fülle mit seiner kraft die leeren saiten
stärke und wildheit, fremd und vertraut
rauhlied im uralten fordernden rhythmus

/alles ist dein und altes muss fort/

wirbelnder tanz im fauchenden atem
bieg mich, neig mich – so weit es nur geht
schwinge im dunklen takt seiner macht
doch brechen, nein brechen lass ich mich nicht“

Die lichten Gedichte von Isabella Kramer stehen natürlich in einer langen Tradition.
Dennoch schafft es die Autorin auf bemerkenswerte Weise sich dieser nicht nur zu stellen, sondern sie fortzuführen, selbst alte Motive sprachlich neu zu fassen und ihnen dadurch zu neuem Glanz zu verhelfen.
„Du bringst für mich den Mond ins Rollen“ heißt es etwa in einem Text oder im Gedicht „erinnern“, in dem es um vergangene Rosentage, Rosendüfte und –sträuße geht, bittet das lyrische Ich darum: 
erzähls mir so// dass dem Erinnern keine Dornen wachsen//.

salzfeucht“, „wunschgefühlt“, „winterharfenzeit“, „tintenreim“ sind nur eine kleine Auswahl an Wortschöpfungen, die diese Gedichte als etwas Besonders kennzeichnen.

Und ganz wunderbar beherrscht die Autorin die Form des Pantum, für viele ihrer Gedichte geradezu die ideale Form, um das Zyklische darin offensichtlich zu machen.


Isabella Kramer, Malerin und Fotografin, Mitglied im Europa Literaturkreis Kapfenberg, Österreich, schreibt Lyrik und Kurzprosa
Zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien
Im Internet zu finden unter www.veredita.blogspot.de
Ihr Gedichtband weniger bis meer kann hier bezogen werden




Monika Kafka, 07/12









Mittwoch, 9. Mai 2012

Evelyne Weissenbach, Flossenbürg 2011





„Ihr nach-denken“, schrieb Christa Wolf in ihrem Roman „Nachdenken über Christa T.“
Dem Denken wurde und wird immer noch viel, zu viel Bedeutung eingeräumt, wobei der Mensch als denkendes Wesen sich dabei nicht selten als tierischer als jede Kreatur, die ja gerade nicht denkt, entpuppt. Den umgekehrten Weg zu gehen und sich auf diese Weise einem so schwierigen Kapitel der Geschichte anzunähern, erscheint vielleicht auf den ersten Blick illusorisch. Oder einfach. Zu einfach. Dabei ist es gerade das Nach-Fühlen, das möglicherweise zu einem anderen Denken, Nachdenken führen kann.

In einem Spür-Bericht offen zu legen, welche Fährte aufgegriffen werden könnte, um aus dem Grauen und Entsetzen der NS-Zeit heraus zu treten, mit einem neuen Bewusstsein, einem, das nichts leugnet, nichts verdrängt von den Schrecknissen jener Zeit sondern mit einem, in dem das Gefühl, die Emotion integriert wird, um aus den Opfern wieder Menschen entstehen zu lassen- das ist Evelyne Weissenbach in ihrem Spürbericht über das Konzentrationslager Flossenbürg auf eindringliche und ausdrucksstarke Weise gelungen.
Sich einfühlen in diese Menschen, die dort gelebt und gelitten haben, die dort ihr Leben lassen mussten, weil denkende Menschen es so wollten.

Das Büchlein ist Bericht und Beschreibung gleichermaßen.
Evelyne Weissenbach schildert zum einen den Rundgang durch die Anlage von Flossenbürg, die Gedenkstätte, was sich beinah wie ein Reiseführer liest: konkrete Angaben, Details in sachlicher Sprache, angereichert durch Fotos.
Zum anderen wird der Bericht jedoch immer wieder aufgebrochen durch die Beschreibung von Seelenzuständen, in die die Autorin bei ihrem Rundgang gestürzt wird. Diese Zerrissenheit, dieses ständige Ringen darum, das Denken außen vor zu lassen, sich den wechselnden inneren Emotionen zu stellen, die ihr schier die Luft zum Atmen nehmen, wird auch durch eine in diesen Passagen äußerst poetische Sprache deutlich gemacht.

Ein ergreifendes Buch und ein tröstendes, wenn der Leser bereit ist, sich auf diesen Weg einzulassen.


Evelyne Weissenbach
Flossenbürg 2011

hs-LiteraturVerlag 2011
978-3951-99072-9

Montag, 30. April 2012

Claus Stephani, Vor dem letzten Augenblick







„Am Anfang war das Wort, doch am Ende wird die Lüge sein, und die Lüge wird sein wie das Wort, in einem Gewand aus falschem Leinen, und man wird ihr glauben und meinen, sie ist das Wort“, sagte Rabbi Schmuel von Oberwischau vor gut zweihundert Jahren.

Was aber hat es auf sich mit den Worten, diesen seltsamen Gebilden, die uns umso mehr abhandenkommen, je verzweifelter wir sie suchen? Die sich einmal scheu und zerbrechlich geben wie ein junges Mädchen vor der ersten Blüte, ein andermal sich zieren und umworben werden wollen wie eine alternde Diva. Vielleicht stimmt beides und auch wieder nicht, vielleicht muss man sie einfach im Stillen reifen lassen, bevor sie uns ihre volle Süße offenbaren so wie ein später Sommertag.
Und wenn es dann auch noch gelingt, die sieben Tore zur Erinnerung zu durchschreiten, wird man sie finden, die Worte, mit denen sich Geschichten erzählen lassen, anrührend und zärtlich, poetisch und wahr_haftig, weil sie weit entfernt von einem Ende sind.
Das ist Claus Stephani  in seinen „Erzählungen aus verschwiegenen Zeiten“, so der Untertitel seiner neuesten Publikation „Vor dem letzten Augenblick“, auf wunderbare Weise gelungen.

Drei Erzählungen sind es, die als Vorgriff auf ein umfangreicheres Buch bei Hans Boldt als „Winsener Heft 35“ erschienen sind.
In ihrem Mittelpunkt steht jeweils eine andere Frau: 
Judith, „das Geschenk eines zärtlichen Sommers“, Anna, die gebildete Französischlehrerin und schließlich Joana, die Frau ohne Nachnamen, vom liebenden Adam, der in Wahrheit ebenfalls einen anderen Namen hat, Apfelblüte genannt. Das Verbindende dieser Begegnungen aber, die das Erzähler-Ich geprägt und sein Heranreifen zum Mann auf unterschiedliche Weise begleitet haben, ist die Sprache. 

Vom Nicht-Sagen-Können, weil die Worte fehlten oder unbeholfen waren, über ihren Missbrauch in einem totalitären Regime, dem Schwanken zwischen einer Mutter- und einer Vatersprache und dem Schweigen, das unweigerlich zum Verschweigen führt, spannt sich der Bogen, geografisch eingebettet unter den teilnahmslosen Augen der Corona, jener Stadt im fernen Siebenbürgen, die schon zu viel gesehen hat, um sich darüber noch zu wundern.

Bildreich und unaufdringlich erzählt Claus Stephani selbst von unangenehmen Wahrheiten, von einem Regime, dessen medusenähnliche Tentakel heute noch Gift verspritzen, auch wenn sie in Aktenordnern eingesperrt scheinen. Der Teufel, der Sched, spielt weiterhin seine Geige. Wenn es auch immer wieder eine neue Melodie ist.

Angereichert sind die Texte mit Worten der Alten und Weisen aus einer untergegangenen Welt voller Mythen und Zauber, einer Welt, die dem Ethnologen Dr. Claus Stephani bestens vertraut ist.

„Diese Erzählungen habe ich hervorgeholt, um sie zu verschenken. An jeden, der sie hören will.“

Mögen sie ein breites Publikum erreichen.


Kursiv gesetzte Zeilen sind Zitate aus:

Claus Stephani
Vor dem letzten Augenblick
Winsen/Luhe, 2012
978-3-928788-74-8


Im Literaturverlag Hans Boldt erschien ferner:


Claus Stephani
Stunde der Wahrheit
Erzählungen
Winsen/Luhe, 2007
978-3-928788-61-8






Freitag, 27. April 2012

Lyrikanthologie







Mit dieser Anthologie legt die Edition Thaleia eine weitere Projekt-Arbeit vor, die von einem Literaturforum im Internet initiiert wurde. Über viele Monate hinweg haben zwölf Autoren aus vier Ländern Texte verfasst, die sich der dunklen Seite des Lebens annehmen, haben an ihren Texten gefeilt, sich gegenseitig Rückmeldung gegeben und schließlich die besten Beiträge dem Verlag in St. Ingbert vorgelegt, der dafür bekannt ist, „sich solcher literarischer Werke anzunehmen, die weder zeitgenössischen Strömungen noch aktuellen Anforderungen des deutschsprachigen Buchmarkts entsprechen und somit wenig bis gar nicht von den kommerziellen Verlagshäusern beachtet werden“.

Das Ergebnis, für das die beiden Herausgeberinnen Diana Jahr und Stephanie Simon verantwortlich zeichnen: eine in acht Themenkreisen gefasste Zusammenstellung von Gedichten, die ein beachtliches literarisches Niveau aufweisen.

Den Leser erwartet, der Titel lässt es schon vermuten, keine leichte Kost: Themen wie Tod/Freitod, Trauer, Liebeskummer, Alter, Missbrauch, Sterbehilfe … lassen nicht unberührt, fordern heraus zu einer sowohl sehr persönlichen Interpretation wie auch zu einer kritischen oder gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit diesen hoch emotionalen, aufwühlenden Inhalten.  

Einige Texte sind sehr konkret, erlauben einen unmittelbaren Zugang, andere wieder sind eher hermetisch, sehr dicht und fordern den Leser damit auf, den Impulsen zu folgen und mit eigenen Inhalten aufzufüllen. 

Bemerkenswert ist, dass viele Texte nicht in Düsternis verharren, sondern auch hoffnungsvolle Wege aufzeigen oder zumindest durchschimmern lassen.

Die Autoren sind:
Marina Bartolovic
Moshe Sala Chazara
Orit Chazara
Anja Finger
Julia Fürst
Christopher Grimm
Diana Jahr
Sabine Kirchhoff
Ines Oppitz
Heinz Kurt Rintelen
Stephanie Simon
Bianka-Helena Wolf

Diana Jahr & Stephanie Simon (Hrsg.)
Lichtbruch
Die dunkle Seite des Lebens

156 Seiten, Broschur
14, - Euro
 978-3-943382-00-6