schluesselworte

schluesselworte
abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Mittwoch, 14. Juli 2010

Venezianische Notizen

(c) Foto: Thom Kafka


Venezianische Notizen

Die Serenissima empfängt mich kühl, fast schon gekränkt wie eine Diva, die man zu lange warten ließ. Sie ist gealtert, denke ich, und das nicht unbedingt in Würde.
Wie lang schon blieb ich fern? Wolkenberge türmen sich im angestauten Atem der Lagune. Ich rechne langsam nach. Gewissenhaft. Und setze rasch die Sonnenbrille auf. Modisch. Teuer. Überdimensional. So muss das hier sein. Wieso nur hab ich das Gefühl, als lächle della Salute milde?

Ihre sichtbaren Blessuren. Kein marmorweißer Gruß eilt dem vom Meere Kommenden entgegen. Die stets Garant für sichre Ankunft war, braucht heute selber Schutz. Und Hilfe. Unter ihren grauverpflasterten Wunden weint steinern die Zeit.
Wir verstehen einander. Und ich wage es, den Weg rückwärts zu gehen.
Alla ferovia ... Zum Bahnhof ...

Moderner Spießrutenlauf. Kein Durchkommen im Ausverkauf des Gutgeschmacks. Während zwischen schaukelnden Gondeln und kreischenden Touristen italienische Vokabeln flattern. Möwengleich. Frech. Die Preise, der Phantasie entsprungen. Wie damals schon. Vermutlich wie schon immer. Heut hätte ich das Geld dafür, doch wer will schon durch abgestandene Gewässer rudern?

Kosmetik auch am Dogenpalast. Vor blauem Hintergrund erstrahlt das neue Auto. Überdimensional. Teuer. Quer zur Jahreszeit. Das muss wohl so sein. Ich seufze an der falschen Stelle, die überall richtig erscheint.

San Marco jetzt (fast) ohne Tauben. Ich lächle tapfer ins Objektiv. Und sehe mich am Canal Grande. Gewagte Shorts, verwirbeltes Haar, im Lachen ganz authentisch. Einziges Bild, das mir nicht nur Erinnerung blieb. Der einzige Beweis dafür, dass ich hier schon einmal war. Als wenn es für das Glück Beweise bräuchte.

Zumindest ging ich nicht ungeküsst ins Bett. Damals. Ganz abgesehn davon, dass es keins gab, war uns der Schlaf nicht mehr als unbestimmte Fremdvokabel.
Nur den einen Löwen find ich nicht, zu dessen Füßen du gelegen. Das zweite Bild, das mir die Zeit gelassen hat, lebt weiter nur in mir. Dein Brombeerhaar legt sich wie Schleier über sommerliche Dunkelschwüle.

Eingefrorne Bildsequenzen.
Die dei Frari leuchtet noch. Abgehoben, kühn, wie ich sie damals gar nicht sah. Und das Fenice. Inszenierte Alterslosigkeit. Immer wieder auferstanden. Die Bühne wie das Leben.
Alla ferovia ...

Wir feierten den Glanz im Untergang. Aus Lust und Überheblichkeit. Bronzene Zeitgesetze auszuhebeln, glaubt nur ein Dummkopf oder- Jugend.

Ich will es doch nochmal versuchen. Und nehm das Vaporetto, vom Bahnhof, zurück in die Lagune ...


© Monika Kafka, 2009

6 Kommentare:

  1. liebe monika,
    der text gefällt mir immer noch gut, auch ein jahr nach der korrektur! auch thoms bild dazu ist toll.
    liebe grüße
    ellix

    AntwortenLöschen
  2. Liebe Ellix,

    kaum zu glauben, dass das alles schon wieder ein Jahr her ist.

    Die Serie der Notizen wird erweitert, wie du ja weißt.

    Schön, dass dir der Text immer noch gefällt.

    Danke für deine Worte!

    Liebe Grüße
    Monika

    AntwortenLöschen
  3. liebe Monika, eine ganz wunderbare Geschichte, bildreich, wortgewandt und voller wunderbar berührender poetischer und emotionaler Bilder... beeindruckend stark!!!


    lieber Gruß
    isabella

    AntwortenLöschen
  4. Liebe Mo,

    ein ganz feiner Text, ich liebe ihn, du weißt ...

    Lieben Gruß
    ELsa

    AntwortenLöschen
  5. "Venedig sehen und sterben",
    -war es Goethe oder Thomas Mann,
    der diesen Spruch hat getan?
    Nicht egal ist´s bloß deren Erben
    die dem Dämon Mammon untertan.

    Venedig soll jeder auf seine Art genießen
    und Inspirationen dazu läßt Ideen sprießen
    die dann gekonnt in Bild und Wort
    veröffentlicht werden am rechten Ort.

    AntwortenLöschen
  6. Liebe Isabella, liebe Elsa, lieber Alfi,

    wie schön, dass ihr mich auf meinem Venedigspaziergang begleitet habt!

    Mit Dank an euch und liebe Grüße,
    Monika

    AntwortenLöschen