schluesselworte
Montag, 12. März 2012
Donnerstag, 8. März 2012
matrjoschka
/c/ dieter vandory, 2012, zeitreise
aus der landschaft geschnitten
das dorf
aus dem dorf
das haus
und aus dem haus
das herz
war alles
wonach sie nicht fragten
das keiner sah
schmugglerherz
fetzenherz, du trägst
den geschmack des waldes
den schlehenduft der wiesen
die singenden laute
blaugetauchter sommer
über fremdes großstadtpflaster
und lächelst
/c/ monika kafka, 02/12
text des monats 02/12 im literaturforum blauersalon.net
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Gedankenlyrik,
Landschaftsdichtung,
Trauer
Montag, 5. März 2012
was bleibt
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Liebeslyrik,
Trauer
Mittwoch, 29. Februar 2012
schneeschmelze
/c/ dieter vandory, 2012 wir sollten nicht
über die brücke gehn
/nicht jetzt/
da sich der große winter löst
und einbricht ins vernarbte
flussbett mit der harschen
einsamkeit der berge
durch einen kleinen
frechen schritt geblendet
von der mittagssonne
könnten wir ab
rutschen und
stürzen
rettungslos
ertrinken aneinander
ineinander sieh nur
wie die gipfel lächeln
/c/ monika kafka, 2012
veröffentlicht federwelt, 02/12
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Liebeslyrik
Donnerstag, 23. Februar 2012
lippenland
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Liebeslyrik
Dienstag, 14. Februar 2012
südpfad
Gast auf meinem Blog ist im Februar der Autor Sven Koether.
1967 im Taunus geboren und dort aufgewachsen, lebt er heute nach zahlreichen Reisen am Rande der Eifel.
Sven Koether schreibt Lyrik und Prosa. Manch einer seiner Texte fand bereits den Weg in eine breitere Öffentlichkeit, in Anthologien und Zeitschriften.
Sein Themenspektrum ist weit gefächert, sein Blick auf die Welt zeugt von großem Einfühlungsvermögen, er ist ein Meister der Zwischentöne. Seine Texte sind sowohl sprachgewaltig als auch leise, fast filigran. Und sie polarisieren nicht selten.
„Man kann nicht nur über Schönes schreiben“, sagt der Autor auf seinem Blog, „sonst bestünde die Gefahr, sich das Leben schön zu schreiben“.
Ich freue mich ganz besonders, dass er mir die Erlaubnis gegeben hat, in meinem poetischen Haus ein Gedicht zu präsentieren, das zu meinen absoluten Lieblingstexten zählt und das ich bei einer Lesung in Bochum vortragen durfte: südpfad
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Texte von FreundInnen
Mittwoch, 1. Februar 2012
Burgunder Notizen
Ich glaube nicht an den Zufall.
Ich glaube an Begegnungen.
- Paul Claudel -
/à Bina/
Dies aufgerissene Land. Ächzend unterm sonnbestickten Julihimmel. Nichts als Hitze und Staub atmend. Eine einzige wabernde Wunde.
In den Weinbergen platzte die Süße aus den prallen Beeren. Das Laub verbrannte. Und Wortfetzen verdunsteten, kaum dass sie den trockenen Mündern entfallen waren.
Fiebernächte. Cassisumspült. Manchmal auch veredelt zum Kir Royal. Klebten auf der Haut und an den Giebeln der Fachwerkhäuser, während unter flammenden Dächern die Trägheit sich durch die Stadt und ihre Menschen schob.
Als der Himmel endlich auf die Erde gefallen war, stand sie am offenen Fenster. Die Wiese vor dem Studentenheim drohte zu ertrinken, die Bäume berauschten sich am Wind. Es krachte und gluckerte und schmatzte. Irrlichternd tanzte der filigrane Schein der Laternen durch die Dunkelheit.
Er aber kam mit dem Regen. Überraschend wie dieser, doch folgerichtig. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen.
Es klopfte. Sie erwartete niemanden mehr zu dieser vorgerückten Stunde. Vielleicht eine Kommilitonin, dachte sie, die noch Unterlagen braucht für die bevorstehende Übersetzungsklausur.
Sie öffnete, und die in Gedanken vorgeformten französischen Worte fielen in die kleine, sich vor ihren Augen ausbreitende Pfütze. Darin schwamm ein Paar Espadrilles, wie kenternde Schiffe, schoss es ihr in den Kopf. Ihr Blick glitt an durchnässten Hosenbeinen hoch, flog dann ihrem plötzlich rasenden Herzen hinterher. Stolperte über leicht geöffnete breite Lippen und fiel. Fiel ein in ein Dunkelmeer glänzender Augen, umrahmt von Brombeerhaar.
Ein Blitz schleuderte sein Sekundenlicht durchs Zimmer, und als die durchschnittenen Wolken wieder zusammenfanden, krachte die Tür ins Schloss.
Er stellte seinen vollgepackten Seesack ab, zog die durchnässten Schuhe aus. Sah sich suchend um und als er nichts fand, worauf sie hätten abgestellt werden können, legte er sie einfach außen aufs schmale Fensterbrett.
„Ist eh schon egal“, sagte er grinsend, als ihm ihr zweifelnder Blick begegnete.
Verschwand danach mit trockener Wäsche und einem T-Shirt im Bad. Er hat offensichtlich vor, zu bleiben, folgerte sie. Goss sich etwas Rotwein ein, der vom Abendessen übrig geblieben war, setzte sich aufs Bett und beschloss, nichts zu fragen. Viele, zu viele Fragen hatten ihn damals flüchten lassen. Unter anderem, ergänzte sie in Gedanken, und nahm einen Schluck. Als ihre Zähne ans Glas schlugen, merkte sie erst, dass sie zitterte.
Obwohl der Regen nachgelassen hatte, schwappte immer noch Kühle durchs geöffnete Fenster, legte sich auf ihre durch die Sonnentage aufgeheizte Haut, ich muss mir was anziehen, dachte sie, als sie sich ihrer nackten Arme und Beine bewusst wurde, und blieb einfach sitzen.
Das Brausen der Dusche von nebenan spülte ihre Gedanken rückwärts.
Eine Woche war es jetzt her, dass sie in der Mensa der Universität inmitten einer Gruppe fremdländischer Studenten einen jungen Mann erblickt hatte, dessen Ähnlichkeit mit Pierre so groß war, dass sie im ersten Augenblick hätte schwören können, er sei es selbst. Und der, wie sich dann herausstellte, sein Bruder war.
Niemals hatte Pierre ihr gegenüber erwähnt, dass einer seiner Brüder ebenfalls in Europa studierte. Geschweige denn im Burgund. Ausgerechnet in dieser Stadt, die sie sich aus mindestens zehn anderen aus ganz Frankreich für ihr Auslandssemester ausgesucht hatte.
Natürlich hatten sie über Pierre gesprochen. Natürlich hatte sie wissen wollen, wohin er gegangen war, nachdem er sie fluchtartig verlassen hatte. Und natürlich wusste der Bruder alles. Über sie. Über ihn. Über ihre Beziehung zueinander. Und auch noch einiges mehr, bei dem sich ihr Herz verkrampfte, selbst wenn sie es nüchtern und logisch betrachtete: er hatte eine neue Liebe gefunden, hier im Burgund.
Und als der Bruder nach einem langen Abend ihre Studentenbude verlassen hatte, lag ein Zettel mit Pierres Telefonnummer auf ihrem Tisch.
Nein, es gibt keine Zufälle, dachte sie jetzt wieder, während sich ihr Blick im Wein verlor.
Sie hatte ihn nicht angerufen. Sie wusste, dass er kommen würde. Sie wusste nur nicht, wann.
„Gibt es für mich auch einen Schluck?“
Im T-Shirt, darüber lässig ihren Bademantel gewickelt, stand er vor ihr.
Seit wann trinkst du Wein, wollte sie fragen. Reichte ihm stattdessen das Glas, ich habe kein zweites, sagte sie beinah entschuldigend. Er prostete ihr zu. Machte es sich danach neben ihr bequem. Rubinrot senkte sich die Stille zwischen ihre Hände.
Jetzt sitzen wir da, dachte sie, nach zwei Jahren sitzen wir einfach da, auf dem Bett in einem französischen Studentenheim, den Rücken zur Wand und trinken Wein.
Und die Worte lauern.
„Die Wahrheit liegt dahinter“, sagte er unvermittelt, so als habe er ihre Gedanken hören können. „Ach ja“, fragte sie, „und wo wäre das dann?“
„Hinter den Bergen. Den Meeren. Den Wüsten. Tausende von Kilometern weit weg“, antwortete er mit leiser, stockender Stimme.
„Und zwei Häuser von hier“, platzte es aus ihr heraus. Verdammt, dachte sie und kaute auf ihrer Unterlippe. Er lächelte und legte seinen Arm um sie. „Komm her und red keinen Unsinn“, sagte er, „ich meine etwas ganz anderes“.
Aber das hörte sie schon nicht mehr. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust, ruhte endlich aus nach zwei Jahren sinnlosem sich Fragens. Und während Pierre langsam über ihr Haar strich, immer und immer wieder, so als ob er sie endgültig vertreiben wollte, die Fragen, gab sich ihr Ohr dem gleichmäßigen Rhythmus seines Herzens hin. Sie atmete seine Haut durch das dünne Shirt, Vanille, ja, immer noch Vanille, dachte sie, hatte ich das wirklich vergessen?
Dann folgte sie doch wieder seinen Worten, ließ sich mitnehmen auf eine Reise quer durch Europa.
„Ich konnte nirgendwo bleiben, verstehst du. Mein Studium war abgeschlossen, Aufbaukurse irgendwann auch längst uninteressant, ich fand keine Arbeit. Mehr und mehr fühlte ich mich fremd, bei dir in Deutschland genauso wie in Italien und jetzt hier in Frankreich. Überall spüre ich diesen zweifelhaften Wind, der zwar in seinem Innersten Freundlichkeit verspricht und mir letztendlich doch nur eisig entgegen schlägt. Und dann besinnt man sich, weißt du. Man hinterfragt. Wo komm ich her? Was sind meine Werte, für die ich einzustehen bereit bin. Wo will ich hin? Zu welchen Kompromissen bin ich bereit? Und ich habe mich entschieden“.
Ihr Herz stolperte. Was hatte er da gerade gesagt? Entschieden? Er hat sich entschieden? Und er ist bei mir. Sie wagte kaum zu atmen, derweil Pierre fortfuhr:
„Ich habe in mich gehört und da gab es stets nur eine Stimme, in all dem Lauten, Unwegsamen meines Lebens: die Stimme, die mich nach Hause ruft. Ich werde Europa verlassen, verstehst du, für immer“.
Ja, dachte sie. Und weiter, weiter. So sprich doch endlich. Sie zitterte, und ihre Finger verkrampften sich in fiebriger Erwartung.
„Ich werde in mein Land gehen und versuchen, das im Westen erworbene Wissen für diejenigen einzusetzen, die jenseits von Recht und Gerechtigkeit leben. Als Anwalt hab ich dabei gute Chancen. Dieses Land, eines der ärmsten der Welt, wollte und will ich dir nicht zumuten. Du könntest dort nicht leben. Es ist nicht deine Welt, und ich wäre dort wohl auch ein anderer als hier. Das allein war der Grund, dich zu verlassen.“
Der Regen hatte aufgehört. Seit wann wohl, fragte sie sich, nachdem Pierre seinen Bericht beendet hatte.
Ich sollte das Fenster schließen, sagte sie sich, es ist kalt geworden. Und widersprechen sollte ich ihm. Erklären, dass mich nichts halten würde, mit ihm zu gehen. Würde ich das wirklich wollen? Den Nachsatz konnte sie nicht ignorieren, aber da sie keine Antwort wusste, schwieg sie.
Und dann berührte sie ihn. Berührte ihn so, wie er es sie gelehrt hatte. Ihre Hände trugen noch das Muster seiner Haut, erinnerten sich und fanden die vertrauten Wege wieder.
Als sie am nächsten Morgen erwachte und ihren Arm suchend nach Pierre ausstreckte, griff sie ins Leere. Sie fuhr hoch, der Platz neben ihr war leer. Ihr Blick durchflog das Zimmer. Die Weinflasche stand noch auf dem Tisch, daneben das Glas, ihr Bademantel lag ordentlich zusammengefaltet auf dem Stuhl, der Seesack war verschwunden. Sie rieb sich die Augen, hab ich geträumt, fragte sie sich, und stand auf. Ging langsam Richtung Bad. Rief seinen Namen. Öffnete die Tür. Der Raum war kalt und leer. Sie stellte sich unter die Dusche und unter dem warmen Strahl trat ihr der Schmerz durch die Augen. Vermischte sich mit dem Wasser, das an ihr herabfloss, und versickerte lautlos.
Als sie später zur Universität ging, schwenkte ihr Blick für einen Moment hinauf zum Fenster ihres Zimmers. Auf dem Sims sonnte sich ein Paar Espadrilles unterm blauen Julihimmel.
/c/ monika kafka, 2012
/c/ dieter vandory, sonnenfänger & herzerwärmer, 2012 |
Ich glaube nicht an den Zufall.
Ich glaube an Begegnungen.
- Paul Claudel -
/à Bina/
Dies aufgerissene Land. Ächzend unterm sonnbestickten Julihimmel. Nichts als Hitze und Staub atmend. Eine einzige wabernde Wunde.
In den Weinbergen platzte die Süße aus den prallen Beeren. Das Laub verbrannte. Und Wortfetzen verdunsteten, kaum dass sie den trockenen Mündern entfallen waren.
Fiebernächte. Cassisumspült. Manchmal auch veredelt zum Kir Royal. Klebten auf der Haut und an den Giebeln der Fachwerkhäuser, während unter flammenden Dächern die Trägheit sich durch die Stadt und ihre Menschen schob.
Als der Himmel endlich auf die Erde gefallen war, stand sie am offenen Fenster. Die Wiese vor dem Studentenheim drohte zu ertrinken, die Bäume berauschten sich am Wind. Es krachte und gluckerte und schmatzte. Irrlichternd tanzte der filigrane Schein der Laternen durch die Dunkelheit.
Er aber kam mit dem Regen. Überraschend wie dieser, doch folgerichtig. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen.
Es klopfte. Sie erwartete niemanden mehr zu dieser vorgerückten Stunde. Vielleicht eine Kommilitonin, dachte sie, die noch Unterlagen braucht für die bevorstehende Übersetzungsklausur.
Sie öffnete, und die in Gedanken vorgeformten französischen Worte fielen in die kleine, sich vor ihren Augen ausbreitende Pfütze. Darin schwamm ein Paar Espadrilles, wie kenternde Schiffe, schoss es ihr in den Kopf. Ihr Blick glitt an durchnässten Hosenbeinen hoch, flog dann ihrem plötzlich rasenden Herzen hinterher. Stolperte über leicht geöffnete breite Lippen und fiel. Fiel ein in ein Dunkelmeer glänzender Augen, umrahmt von Brombeerhaar.
Ein Blitz schleuderte sein Sekundenlicht durchs Zimmer, und als die durchschnittenen Wolken wieder zusammenfanden, krachte die Tür ins Schloss.
Er stellte seinen vollgepackten Seesack ab, zog die durchnässten Schuhe aus. Sah sich suchend um und als er nichts fand, worauf sie hätten abgestellt werden können, legte er sie einfach außen aufs schmale Fensterbrett.
„Ist eh schon egal“, sagte er grinsend, als ihm ihr zweifelnder Blick begegnete.
Verschwand danach mit trockener Wäsche und einem T-Shirt im Bad. Er hat offensichtlich vor, zu bleiben, folgerte sie. Goss sich etwas Rotwein ein, der vom Abendessen übrig geblieben war, setzte sich aufs Bett und beschloss, nichts zu fragen. Viele, zu viele Fragen hatten ihn damals flüchten lassen. Unter anderem, ergänzte sie in Gedanken, und nahm einen Schluck. Als ihre Zähne ans Glas schlugen, merkte sie erst, dass sie zitterte.
Obwohl der Regen nachgelassen hatte, schwappte immer noch Kühle durchs geöffnete Fenster, legte sich auf ihre durch die Sonnentage aufgeheizte Haut, ich muss mir was anziehen, dachte sie, als sie sich ihrer nackten Arme und Beine bewusst wurde, und blieb einfach sitzen.
Das Brausen der Dusche von nebenan spülte ihre Gedanken rückwärts.
Eine Woche war es jetzt her, dass sie in der Mensa der Universität inmitten einer Gruppe fremdländischer Studenten einen jungen Mann erblickt hatte, dessen Ähnlichkeit mit Pierre so groß war, dass sie im ersten Augenblick hätte schwören können, er sei es selbst. Und der, wie sich dann herausstellte, sein Bruder war.
Niemals hatte Pierre ihr gegenüber erwähnt, dass einer seiner Brüder ebenfalls in Europa studierte. Geschweige denn im Burgund. Ausgerechnet in dieser Stadt, die sie sich aus mindestens zehn anderen aus ganz Frankreich für ihr Auslandssemester ausgesucht hatte.
Natürlich hatten sie über Pierre gesprochen. Natürlich hatte sie wissen wollen, wohin er gegangen war, nachdem er sie fluchtartig verlassen hatte. Und natürlich wusste der Bruder alles. Über sie. Über ihn. Über ihre Beziehung zueinander. Und auch noch einiges mehr, bei dem sich ihr Herz verkrampfte, selbst wenn sie es nüchtern und logisch betrachtete: er hatte eine neue Liebe gefunden, hier im Burgund.
Und als der Bruder nach einem langen Abend ihre Studentenbude verlassen hatte, lag ein Zettel mit Pierres Telefonnummer auf ihrem Tisch.
Nein, es gibt keine Zufälle, dachte sie jetzt wieder, während sich ihr Blick im Wein verlor.
Sie hatte ihn nicht angerufen. Sie wusste, dass er kommen würde. Sie wusste nur nicht, wann.
„Gibt es für mich auch einen Schluck?“
Im T-Shirt, darüber lässig ihren Bademantel gewickelt, stand er vor ihr.
Seit wann trinkst du Wein, wollte sie fragen. Reichte ihm stattdessen das Glas, ich habe kein zweites, sagte sie beinah entschuldigend. Er prostete ihr zu. Machte es sich danach neben ihr bequem. Rubinrot senkte sich die Stille zwischen ihre Hände.
Jetzt sitzen wir da, dachte sie, nach zwei Jahren sitzen wir einfach da, auf dem Bett in einem französischen Studentenheim, den Rücken zur Wand und trinken Wein.
Und die Worte lauern.
„Die Wahrheit liegt dahinter“, sagte er unvermittelt, so als habe er ihre Gedanken hören können. „Ach ja“, fragte sie, „und wo wäre das dann?“
„Hinter den Bergen. Den Meeren. Den Wüsten. Tausende von Kilometern weit weg“, antwortete er mit leiser, stockender Stimme.
„Und zwei Häuser von hier“, platzte es aus ihr heraus. Verdammt, dachte sie und kaute auf ihrer Unterlippe. Er lächelte und legte seinen Arm um sie. „Komm her und red keinen Unsinn“, sagte er, „ich meine etwas ganz anderes“.
Aber das hörte sie schon nicht mehr. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust, ruhte endlich aus nach zwei Jahren sinnlosem sich Fragens. Und während Pierre langsam über ihr Haar strich, immer und immer wieder, so als ob er sie endgültig vertreiben wollte, die Fragen, gab sich ihr Ohr dem gleichmäßigen Rhythmus seines Herzens hin. Sie atmete seine Haut durch das dünne Shirt, Vanille, ja, immer noch Vanille, dachte sie, hatte ich das wirklich vergessen?
Dann folgte sie doch wieder seinen Worten, ließ sich mitnehmen auf eine Reise quer durch Europa.
„Ich konnte nirgendwo bleiben, verstehst du. Mein Studium war abgeschlossen, Aufbaukurse irgendwann auch längst uninteressant, ich fand keine Arbeit. Mehr und mehr fühlte ich mich fremd, bei dir in Deutschland genauso wie in Italien und jetzt hier in Frankreich. Überall spüre ich diesen zweifelhaften Wind, der zwar in seinem Innersten Freundlichkeit verspricht und mir letztendlich doch nur eisig entgegen schlägt. Und dann besinnt man sich, weißt du. Man hinterfragt. Wo komm ich her? Was sind meine Werte, für die ich einzustehen bereit bin. Wo will ich hin? Zu welchen Kompromissen bin ich bereit? Und ich habe mich entschieden“.
Ihr Herz stolperte. Was hatte er da gerade gesagt? Entschieden? Er hat sich entschieden? Und er ist bei mir. Sie wagte kaum zu atmen, derweil Pierre fortfuhr:
„Ich habe in mich gehört und da gab es stets nur eine Stimme, in all dem Lauten, Unwegsamen meines Lebens: die Stimme, die mich nach Hause ruft. Ich werde Europa verlassen, verstehst du, für immer“.
Ja, dachte sie. Und weiter, weiter. So sprich doch endlich. Sie zitterte, und ihre Finger verkrampften sich in fiebriger Erwartung.
„Ich werde in mein Land gehen und versuchen, das im Westen erworbene Wissen für diejenigen einzusetzen, die jenseits von Recht und Gerechtigkeit leben. Als Anwalt hab ich dabei gute Chancen. Dieses Land, eines der ärmsten der Welt, wollte und will ich dir nicht zumuten. Du könntest dort nicht leben. Es ist nicht deine Welt, und ich wäre dort wohl auch ein anderer als hier. Das allein war der Grund, dich zu verlassen.“
Der Regen hatte aufgehört. Seit wann wohl, fragte sie sich, nachdem Pierre seinen Bericht beendet hatte.
Ich sollte das Fenster schließen, sagte sie sich, es ist kalt geworden. Und widersprechen sollte ich ihm. Erklären, dass mich nichts halten würde, mit ihm zu gehen. Würde ich das wirklich wollen? Den Nachsatz konnte sie nicht ignorieren, aber da sie keine Antwort wusste, schwieg sie.
Und dann berührte sie ihn. Berührte ihn so, wie er es sie gelehrt hatte. Ihre Hände trugen noch das Muster seiner Haut, erinnerten sich und fanden die vertrauten Wege wieder.
Als sie am nächsten Morgen erwachte und ihren Arm suchend nach Pierre ausstreckte, griff sie ins Leere. Sie fuhr hoch, der Platz neben ihr war leer. Ihr Blick durchflog das Zimmer. Die Weinflasche stand noch auf dem Tisch, daneben das Glas, ihr Bademantel lag ordentlich zusammengefaltet auf dem Stuhl, der Seesack war verschwunden. Sie rieb sich die Augen, hab ich geträumt, fragte sie sich, und stand auf. Ging langsam Richtung Bad. Rief seinen Namen. Öffnete die Tür. Der Raum war kalt und leer. Sie stellte sich unter die Dusche und unter dem warmen Strahl trat ihr der Schmerz durch die Augen. Vermischte sich mit dem Wasser, das an ihr herabfloss, und versickerte lautlos.
Als sie später zur Universität ging, schwenkte ihr Blick für einen Moment hinauf zum Fenster ihres Zimmers. Auf dem Sims sonnte sich ein Paar Espadrilles unterm blauen Julihimmel.
/c/ monika kafka, 2012
Labels:
Prosa
Sonntag, 22. Januar 2012
federträume
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Liebeslyrik
Sonntag, 15. Januar 2012
vanitas
Als ersten Gast im Neuen Jahr begrüße ich auf meinem Blog die Autorin, Fotografin und Malerin
Isabella Kramer http://veredita.blogspot.com/
1957 in der Lüneburger Heide geboren, lebt sie heute in Celle / Niedersachsen.
Von frühester Jugend an dem Wort und den Farben eng verbunden, schreibt sie Lyrik und Kurzprosa, die sie oft mit eigenen Aquarellen oder Fotografien illustriert.
Es ist der Blick auf das Kleine, Unscheinbare, den sie festzuhalten sucht.
"Der Blick, abseits des Weges, die Sicht auf die Kleinigkeit, auf das Detail", ist eines ihrer Anliegen, "weil gerade das, was unbedeutend erscheint oft mit Hoffnung und Wandlung verbunden und damit von großem Wert ist".
Isabella Kramer hat in mehreren Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht und arbeitet derzeit an ihrer ersten eigenen Publikation.
Isabella Kramer http://veredita.blogspot.com/
1957 in der Lüneburger Heide geboren, lebt sie heute in Celle / Niedersachsen.
Von frühester Jugend an dem Wort und den Farben eng verbunden, schreibt sie Lyrik und Kurzprosa, die sie oft mit eigenen Aquarellen oder Fotografien illustriert.
Es ist der Blick auf das Kleine, Unscheinbare, den sie festzuhalten sucht.
"Der Blick, abseits des Weges, die Sicht auf die Kleinigkeit, auf das Detail", ist eines ihrer Anliegen, "weil gerade das, was unbedeutend erscheint oft mit Hoffnung und Wandlung verbunden und damit von großem Wert ist".
Isabella Kramer hat in mehreren Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht und arbeitet derzeit an ihrer ersten eigenen Publikation.
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Texte von FreundInnen
Freitag, 6. Januar 2012
Traum_Wanderung
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Prosa
Sonntag, 1. Januar 2012
verstummen
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Gedankenlyrik,
Trauer
Mittwoch, 28. Dezember 2011
Unverhofft
/c/ Dieter Vandory, zwei, 2011
„Darf ich noch reinkommen?“
Ihr schwarz umrandeter Blick stolperte den Worten hinterher. Fiel durch den Türspalt auf meine Schuhe. Hangelte sich langsam hoch, bis er meinen fand. Und setzte sich darin fest.
Ich öffnete die Tür. Müde löste sich ihr schmaler Rücken vom Rahmen. Ich trat ein paar Schritte zur Seite und ließ sie ein. Treten in mein für ein paar Tage geborgtes Domizil. Sie bewegte sich nervös, fast ungelenk. Der Mantel sprang auf und ich sah, dass sie darunter noch das kleine Schwarze trug. Sie hatte sich also nicht umgezogen nach ihrem Auftritt.
Ich schloss die Tür. Ging zur Bar und goss mir langsam einen Whiskey ein.
„Willst du auch einen?“, fragte ich mit belegter Stimme.
Sie nickte nur, während sie Mantel und Handtasche aufs Sofa gleiten ließ. Ging aufs Fenster zu.
„Schöne Aussicht von hier oben“, sagte sie und lächelte, „wäre es nicht schon dunkel.“
„Ja, und jetzt ist sie wenigstens nicht mehr laut.“ Ich lachte heiser. Räusperte mich.
„Hier, dein Whiskey.“
Wir prosteten uns zu.
Ihre Finger, diese feingliedrigen samtumhüllten Kunstwerke. Sie hatten Spuren auf meiner Haut hinterlassen. Niemals zu Ende gegangene Wege. Wege durch Gletschereis und Wüstensand. Immer schön abwechselnd, dachte ich bitter. Schluckte tief und trocken. Brannte das Getränk meine Kehle hinunter. Und die Frage, was will sie?
Als ihre Lippen das Glas berührten, färbte sich die Stille rot. Und ihre Augen lagen darin wie glimmende Kohle. „Das ist gut“.
Sie nickte anerkennend der goldgelben Flüssigkeit zu.
„Schön, dass du gekommen bist“, sagte sie unvermittelt. Drehte sich kurz weg, um das Glas auf dem Schreibtisch abzustellen. Als sie danach meinen verständnislosen Blick auffing, fügte sie hinzu: „Zum Konzert, meine ich.“
„Du warst phantastisch“, entgegnete ich. „Unglaublich, wie deine Stimme gereift ist. Die tiefen Töne vibrieren förmlich. Sie sind rund und doch rau, man kann Abgründe dahinter erahnen.“
Sie winkte ab. „Ach was, in Wahrheit bin ich einfach nur alt geworden und muss mein Repertoire danach ausrichten. Aber es freut mich dennoch, dass es dir gefallen hat. Und woran arbeitest du gerade?“, fragte sie und deutete auf meinen Laptop. „Ich habe dich doch hoffentlich nicht gerade dabei gestört, deinen Protagonisten ins Jenseits zu befördern?“
Der leise Spott in ihrer Stimme war unüberhörbar.
„Ich habe einen neuen Gedichtband publiziert, deshalb bin ich auch in dieser Stadt. Der Verlag ist der Ansicht, dass Signierstunden dem Verkauf förderlich seien … Na ja, davor lese ich natürlich auch. Du siehst“, sagte ich, „der Zufall hat uns zusammengeführt nach so langer Zeit. Der Zufall und die Kunst.“
„Ist das nun gut oder schlecht? Ich meine, glaubst du an die Strategie des Verlags?“
Sie blickte mich lauernd an. Ich war überzeugt, sie hatte längst bemerkt, dass meine Selbstsicherheit nur eine gespielte war. Dass meinen Lippen Worte entkamen, die nicht mit meinen tatsächlichen Gedanken überein stimmten. Bevor ich antwortete, nahm ich einen tiefen Schluck von meinem Whiskey. Er war in meiner Hand bereits warm geworden.
„Ja, warum auch nicht?“, flüsterte ich und sah sie unverwandt an.
„Ich müsste mal … dringend“, sagte sie und blickte sich fragend um.
„Geradeaus und dann links“, antwortete ich und ließ mich auf die Couch fallen. Hoffte, die kurze Zeitspanne, in der sie nicht anwesend war, nutzen zu können. Meine Gedanken zu sortieren, die längst nicht mehr um die Frage kreisten, was sie denn eigentlich wollte. Sondern darum, wo ich in dieser Situation stand. Und meine Pappmacheebeine zu entlasten. Das war doch nicht möglich, dachte ich immer und immer wieder.
Wie zerbrechlich sie doch wirkte. Und abgespannt. Wie nach einem langen beschwerlichen Weg, der nichts mit dem heutigen Auftritt zu tun hatte. Ich wusste um ihre Schatten. Um ihr Straucheln. Ihre Verzweiflung. Wir waren einander nah geblieben. Im Wort. Und den Rest erfuhr ich aus der Presse. Die war ja schon immer gnadenlos. Das wusste ich mittlerweile selbst zur Genüge.
Ich stand auf, schenkte mir nach. Wunderte mich. Sie blieb schon zu lange weg. Die Tür zum Bad war nicht ganz geschlossen. Alles in Ordnung, fragte ich und spähte hinein. Sie stand aufgestützt am Waschbeckenrand, den Blick im Spiegel verloren. „Endlich“, sagte sie und drehte sich langsam um.
Ihre Lippen schmeckten nach Walderdbeeren und bitterem Verzicht. Meine Hände legten die Röte frei. Blattunter nistete die Wärme des Wüstensandes. Ließ Gletscher schmelzen. Ihre Brüste wölbten sich mir entgegen. Und in unseren Atem mischte sich die Melodie des ewigen Windes, der Glimmendes entfacht zum zügellosen ...
Es klopfte.
„Ihr Taxi, Madame, es wartet.“
Amy Sörensen klappte das Buch zu, ergriff ihren Koffer und verließ das Hotelzimmer.
/c/ Monika Kafka, 12/2011
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Prosa
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