schluesselworte

schluesselworte
abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Donnerstag, 23. August 2012

Diese Hände
die mir die Fäden webten
zum engmaschigen Netz
Erinnerung


I.


Das Morgengrauen
verfütterte sie an die Tiere
dachte Großmutter immer als erstes
mischte sie unter die Körner
übrig gebliebene Träume so
seien diese doch zu etwas gut
sagte sie bevor aus ihren
weit ausholenden Händen
der Mais rieselte,  später
beobachtete ich verstohlen
die Hühner um herauszufinden
was Großmutter denn geträumt haben 
könnte man ihnen das ansehen
fragte ich mich Glück oder Unglück
der Nächte aus denen sie für mich
stets die garstigen Augen
herausschnitt und in die Büsche hängte
so dass ich sie im Lauf des Tages 
anschauen konnte ohne
mich zu fürchten in der Sonne
würden die Brombeeren warm
schmecken wie die Milch
aus der blauen Tasse
nur etwas dunkler 


II.


Großmutter modellierte für mich
die Tage im Sommer
gerieten barfüßig und breit
gedieh das Glück zwischen
Sandkuchen und summenden Rosen
dienten Rhabarberstauden als Versteck
für Klein-gemein-Geheimnisse 
wie totgemachte Regenwürmer
aus dem warmen Wannenwasser
stiegen Lachfontänen auf und oh
Susanna im Bade sang Großmutter dann
wusste ich dass der Abwasch bald
erledigt war wie mein Geheimnis
verraten durch das nassglänzende
Fell der Katze das langsam trocknete
viel langsamer als Großmutters Gesang und
mein Wunsch nach neuen Wundern
trieb mich in die Birkenkrone wo
ich nicht zu sehen war und manches
sah was jenseitig des Tores
offen lag an Verlockungen
der Straße durch die schreckverzerrte
Stimme aber die mich rief
begriff ich erst wie schlecht
doch manche Kinderscherze sind 


III.

 
Im Winter fielen die Tage
dünnbeinig aus und schmal
flackerte das Feuer im Ofen
verglühen die Farben des Sommers
sagte Großmutter /und nichts
von vorgeschriebner Kälte/
zu lange schon
hält sich der Frost im Land   
selbst die Fensterrosen sind
auf Sparflamme gestellt und
ich drückte meine Nase lang
an die weißerblühten Scheiben
bis ich nach draußen spähen konnte
und das Gras so fantasielos fand
wie drinnen Hund und Katze träge
zog das Licht in die Stube dann
stellte Großmutter sich an die Staffelei
und malte mir die Tage aus
dem Eingemachten sagte sie
müssen wir jetzt schöpfen Kind
spür den Wind im Sonnenblumenfeld
sieh nur wie sich die Köpfe neigen
unterm satten Pinselstrich getaucht
in ocker grün und gelb
leuchtet auch der Ginster, später
rot der Mohn im reifen Korn
sirren bald die Sensen Zeit
wird es für uns
das Abendbrot zu schneiden im
Duft von Ölfarben und Firnis
schmeckte selbst ein Wintertag mir hell



/c/ monika kafka, 2011





14 Kommentare:

  1. ein Gang durch den Tag
    ein Gang durch's Jahr
    ein Gang durch ein Leben ...

    die vielen Bilder, Töne und Gerüche in deinen Zeilen ...
    das ist wunderschön.

    lieben gruß zu dir hin,
    tabea

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    1. liebe tabea,

      es gibt jeden sommer so einen tag, an dem die erinnerungen an meine kindheit ganz besonders präsent werden, so dass ich das gefühl habe, jene zeit förmlich zu riechen, zu schmecken, zu fühlen und sehen, als habe sich nichts verändert und das lässt mich lächeln und erfüllt mich mit freude und dankbarkeit.
      viele meiner texte wären ohne diese erfahrung einer tiefen geborgenheit nicht denkbar gewesen.

      hab dank für deine worte, für dein immer wieder lesen und kommentieren - auch andernorts.

      herzlich,
      mo

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  2. ... nach wie vor für mich ein ganz starker zyklus über „diese hände“.

    die texte sind wie aus einem guss, die worte fließen zu einer einheit, eröffnen wunderbare bilder, stimmungen, atemlos und doch gleichzeitig in-sich-stimmig und -ruhend wirken deine erinnerungen, meine liebe mo.

    ich mag diese art zu schreiben sehr. sie lässt mich eintauchen und nimmt mich auf einer woge mit. danke!

    und - chapeau!

    innige grüße
    deine di

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    1. liebe di,

      ich möchte ja gern den zyklus weiterführen, du weißt, es fehlen noch ganz viele andere hände ... die mich getragen und liebevoll geformt haben.

      diese art des schreibens, diese "lang-gedichte" mit dem zeilen übergreifenden, ist für mich ja noch relativ neu- ich übe mich noch darin, mal sehen, was noch entstehen wird ...

      hab dank für dein wunderbares feedback, das ich sehr schätze, wir haben ja nicht nur einmal gemeinsam an texten gefeilt ...

      herzlich,
      deine mo

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    2. liebste mo,

      jaaaa, du solltest hier unbedingt weiter schreiben!

      wie ich schon schrieb, ich mag diese art sehr, und sie scheint dir zu liegen. das ist ganz „großes kino“, meine liebe!

      ohnehin ist es doch spannend mal etwas anderes, neues auszuprobieren. mach mal!

      du weißt, dass ich dein feedback genauso schätze, liebe mo, und ich liebe es, mit dir gemeinsam an texten zu feilen!
      überhaupt schätze ich unseren austausch sehr :) danke dir – für alles. :)

      deine di

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    3. danke liebe di, für deinen zuspruch, deine ermunterung und deine unendliche geduld it mir ...

      herzlich,
      deine mo,
      du weißt schon ...

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  3. liebe mo,

    wie wundervoll ist es, erinnerungen so präsent, so lebendig werden zu lassen, dass man als leser gerne eintaucht und sich fast verliert in der fülle an sprache und farben.
    so etwas kann nur gelingen, wenn man diese begabung in sich trägt...weise und liebevoll.

    liebe grüße
    deine gabriele

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  4. liebe gabriele,

    na ja, begabung allein ist es nicht, du weißt es selbst, wieviel "arbeit" hinter einem text steckt, wieviel handwerkszeug von nöten ist, wieviel man verwirft, bevor sich etwas herauskristallisiert hat. die momente, in denen die symbiose gelingt und etwas scheinbar so leichtes entsteht, sind die glücklichen im leben des schreibers ...
    umso mehr freut es einen dann, wenn man sie mit anderen teilen kann.

    hab dank für deine zeilen, für dein unermüdliches lesen und kommentieren meiner texte, ich weiß das zu schätzen.

    alles liebe dir,
    deine mo

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  5. wunderschön, liebe monika! ich liebe deinen stil, ich liebe die stimmungen, die du vermittelst; wie schön, dass du sie so - oder so ähnlich - auch erlebt hast (ich in teilen auch).
    herzlichst deine ellix

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    1. danke, liebe ellix, ja ich weiß, dass dir dieser inhalt und die stimmung, die er transportiert, nicht ganz unbekannt sind.

      herzlichst,
      deine mo

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  6. diese geschichten sind echt kleine prosa-juwele.
    so innig, so herzerwärmend.
    ich möchte immer noch weiterlesen und noch weiterlesen ...
    danke dafür!

    ganz viel liebes!
    lintschi

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    1. liebe lintschi,

      wie mich das freut!

      hab lieben dank und nur gutes für dich,
      mo

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  7. es ist ein ganz großes, ungemein poetisch berührendes aus deiner so talentierten feder liebe freundin, eines, das mir das erinnern an die eigene großmutter so stark und herzwarm zurückbringt, dass ich ein kloss im hals habe vor rührung. welch wortkraft und bildgrandiosität, welche weisheit und liebe in diesen versen! ich bin total begeistert!

    bravissimo ♥
    mit der wärme des allernahesten erinnern im herzen - danke ich dir und sende dir meine liebsten gedanken,

    isabella

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  8. liebe isabella,

    wenn es mir gelungen ist, im leser bilder enstehen zu lassen, die an sein eigenes erinnern anknüpfen oder sogar scheinbar vergessenes heraufbeschwören, dann, ja dann betrachte ich meinen text als gelungen.

    hab dank für deinen so empathischen kommentar, der mich einmal mehr erfreut hat.

    herzlichst umarme ich dich,
    mo

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