Gast auf meinem Blog ist im Dezember der Ethnologe, Schriftsteller, Kunsthistoriker und Journalist Dr. Claus Stephani.
Im siebenbürgischen Kronstadt geboren, verließ er 1990 seine Heimat und lebt seither bei München.
Seine zahlreichen Publikationen - ob Lyrik, Prosa, Oral History, Märchen, Sagen - beweisen jedoch, dass er wie kein Zweiter eigentlich beheimatet ist im Wort.
Ihm hinterher zu lauschen, es abzuklopfen, stets zu hinterfragen ist seine Lebensaufgabe. Und es sind meist die leisen Töne, die Zwischenklänge, die in den Texten von Claus Stephani einen Zauber entfalten, dem man sich nur schwer entziehen kann.
Sein letzter Roman, Blumenkind, ist im SchirmerGraf Verlag, 2009 erschienen.
schluesselworte
Donnerstag, 15. Dezember 2011
Samstag, 10. Dezember 2011
was noch zu sagen wäre ...
Montag, 5. Dezember 2011
zwischenwÖrtlich - eine gemeinschaftsarbeit diana jahr & monika kafka
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Montag, 28. November 2011
zum beispiel
/c/ dieter vandory, ruhe und wut, 2010 |
ausspähen
die nacht und ob
sich was schreiben ließe
gegen den faltenwurf
der dunkelheit ein zeit-
wort setzen schwach, gebeugt
lieben
zum beispiel
/c/ monika kafka, 11/11
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Dienstag, 22. November 2011
Ein alter Reisepass
Schlammiges Braun verziert mit goldenen Lettern. Selbst nach einem Vierteljahrhundert hat er nichts von seiner Scheußlichkeit verloren. Und dennoch war er einmal wertvoller als alles Gold dieser Welt.
Kraftvoll atmet mir auch heute noch das Papier entgegen. Ich rieche Armut, Angst und Tränen. Lauter Dinge, die es unter dem eingeprägten, ebenfalls goldenen Staatswappen offiziell nicht gab.
Mit spitzen Fingern durchblättere ich die Zeit und sehe die vielen vorgehaltenen Hände wieder, hinter denen sich der Unaussprechbare in ungenauen Flüsterworten verbarg: ihn hatte man beantragt, bekommen oder nicht, er war wieder in weite Ferne gerückt, man erwartete das Dokument in den nächsten Tagen, Monaten, Jahren, es war endlich da! Und manchmal musste man auch gar nicht flüstern. Manchmal genügte ein Schrei oder ein Leuchten der Augen, damit es alle wussten.
Ich höre mich immer noch schreien, wenn ich an jenen Tag zurückdenke, an dem ich ins Foyer des Studentenwohnheims, zu dem einzig verfügbaren Telefon gerufen wurde. Mutter sprach leise, sehr leise, so als ob die Abhörgeräte damit außer Betrieb gesetzt werden könnten. Beschwörend klangen ihre Worte. Ganz ruhig, mein Kind, bleib ganz ruhig, verstehst du mich, sagte sie. Aber ja doch, ja, ja, antwortete ich und wagte kaum zu atmen.
Wer ist gestorben, Mama?
Unsere Vergangenheit, mein Kind, sagte sie mit tonloser Stimme. Ich verstand immer noch nicht, vielleicht weigerte ich mich auch nur, zu begreifen, wieso war sie so gefasst, fragte ich mich stattdessen, wenn es doch offenbar etwas zu beklagen gab.
Seit wann verwendet Mutter eine metaphorische Sprache, wenn sie mit mir spricht, wunderte ich mich gerade noch, als sich mit einem Mal dieser Schrei löste, dieser hab-alles-begriffen-Schrei. Fiel durch den Hörer zu Mutter, die ihn nicht halten konnte, kehrte zurück, prallte an die Wände und landete schließlich wie ein Echo hundertfach verteilt mitten unter den redenden und lachenden Studenten.
Die plötzlich eingetretene Stille starrte mich aus wissenden Augen an.
Ich zitterte, während ich weiterhin versuchte, Mutters Stimme zu folgen, ihren Worten Inhalte zuzuordnen, ich erinnerte mich an signifiant signifié aus den Linguistik Stunden, das muss doch irgendwie klappen, dachte ich, und verstand doch nur, was mein Herz mir in die Schläfen trommelte: Du bist frei!
Was diese Freiheit bedeutete, sollte mir allerdings erst klar werden, als ich den Pass an einem nasskalten Novembertag in Empfang nehmen durfte. Und was sie gekostet hatte, das erfuhr ich Jahre später.
Ich durchblättere mit spitzen Fingern die Zeit.
Nichts ist verblasst im Laufe eines Vierteljahrhunderts.
Nicht die ungelenke Unterschrift, die ich damals mit blauer, chinesischer Tinte und feingliedrigem Füller, einem Geschenk meines Vaters, geleistet habe.
Nicht der Satz, der mich gleich in drei Sprachen für vogelfrei erklärte: rumänisch, russisch und französisch. Pour personnes sans citoyenneté steht unverrückbar da, was so viel bedeutet, als dass ich nirgendwohin mehr gehörte. Und auch nicht die eingestempelten Durchreisevisa der Länder, die ich bis dahin nur dem Namen nach kannte.
Alles ist immer noch deutlich lesbar wie am Ausstellungstag.
Ich trug es, dieses heute noch stinkende Golddokument, in den nächsten Tagen und Wochen stets wie eine Trophäe bei mir und genoss meinen vorerst größten Triumph: eine Nacht im ausschließlich den zahlungskräftigen, ausländischen Studenten vorbehaltenen Wohnheim, in dem mein damaliger Freund wohnte.
Und was diese neue Freiheit denn nun gekostet hat?
Geld, das für Pass und Visa, für den Verzicht auf die eine Staatsbürgerschaft und den Erwerb einer neuen gezahlt wurde, lässt sich zählen. Selbst mit Gold nicht auszugleichen bleibt allerdings dieses lebenslange Gefühl, wie eine Ware verschachert worden zu sein. Und dabei etwas verloren zu haben. Etwas, was gemeinhin als Heimat bezeichnet wird.
Heute lebe ich in einer süddeutschen Stadt, von der ich einst großzügig adoptiert worden bin, besitze keinen gültigen Reisepass mehr und kenne dennoch mittlerweile eine Vielzahl von Ländern – nicht nur dem Namen nach.
Und im Übrigen versuche ich neuerdings, mich in einer Art inneren Heimat einzurichten, der einzigen wohl, die man nicht wieder verlieren kann, denke ich an guten Tagen, aber das ist dann wiederum eine andere Geschichte.
/c/ Monika Kafka, 2011
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Prosa
Mittwoch, 16. November 2011
Im November ...
... ist die Fotografin und Lyrikerin Tabea Vahlenkamp Gast auf meinem Blog.
Geboren und aufgewachsen in Thüringen, lebt sie heute mit ihrer Familie bei Berlin, wo sie ein eigenes Fotostudio betreibt.
Ihre Motive findet sie in der Natur. Auf Spaziergängen, oft an der See, sind es die kleinen, unscheinbaren Dinge, die ihr geschultes Auge ausfindig machen, festhalten und stimmungsvoll gestalten.
Ihre fotografischen Arbeiten waren nicht nur in Ausstellungen zu sehen, sondern im Zusammenhang mit ihren filigranen Gedichten auch schon in diversen Büchern zu genießen.
Als letztes ist im hs-verlag erschienen Im Stillen wohnt ein kleines Glück - ein Titel der durchaus als Programm für ihr Arbeiten zu verstehen ist.
Geboren und aufgewachsen in Thüringen, lebt sie heute mit ihrer Familie bei Berlin, wo sie ein eigenes Fotostudio betreibt.
Ihre Motive findet sie in der Natur. Auf Spaziergängen, oft an der See, sind es die kleinen, unscheinbaren Dinge, die ihr geschultes Auge ausfindig machen, festhalten und stimmungsvoll gestalten.
Ihre fotografischen Arbeiten waren nicht nur in Ausstellungen zu sehen, sondern im Zusammenhang mit ihren filigranen Gedichten auch schon in diversen Büchern zu genießen.
Als letztes ist im hs-verlag erschienen Im Stillen wohnt ein kleines Glück - ein Titel der durchaus als Programm für ihr Arbeiten zu verstehen ist.
/c/ Tabea Vahlenkamp, Kraniche |
november am see
Wo deine Seele farbig floss ergießt
Sich heute Nebel weiß umrandet liegt
Der See von kahlen Bäumen tröpfeln Träume
So ausgedünnt und sacht als wär es Schnee
Ein schwarzer Rauch umflort die Ufer kalt
und brandig schmeckt die Luft von fern durchweht
ein Seidenton die Stille Dunkles ruht
im Haar der Weide altert stumm die Zeit
/c/ monika kafka, 11/11
/c/ Tabea Vahlenkamp, Leuchten |
/c/ Tabea Vahlenkamp, Träumen |
Mittwoch, 2. November 2011
blutbuche
/c/ thom kafka, 2011
im alternden licht
rinnt ihr das gold aus
gebreiteten armen
im rindenmantel
wächst grau
das narbengeflecht
dazwischen
verwaisen träume
gebrochen
wie zauberstäbe
unverständlich
bleiben geritzte zeichen
/c/ monika kafka, 11/11
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