Es ist heiß an diesem Tag. Stille
säumt den kurzen ansteigenden Weg.
Zwei Häuser nur.
Am Ende, rechter Hand, die Nummer vier.
Im Garten wuchert Sommer. Dunkelgrün
und bunt. Von einem Eisentor bewacht, den
Blicken dennoch preisgegeben.
Hier also hat sie einst gelebt. In
diesem Haus, das einer Villa gleicht. Und das seit gut einem Jahrhundert baulich
unverändert blieb. Die Ansichtskarte fällt mir ein, die sich vergilbt in einem
Fotoalbum findet. Und ich vergleiche das verinnerlichte Bild mit dem, das meine
Augen heute sehen. Es stimmt überein bis ins Detail.
Ein Lächeln streift von ferne mein Gesicht, als ich mich an die Randnotiz erinnere, die Großmutter damals der Karte beigegeben: unsere Villa steht da in krakeliger Kinderschrift.
Die Mauern atmen schattig. Die
Fenster – eine andere Zeit.
Klein und filigran bis hinauf unter das Dach sind
sie bestrebt, mehr zu verbergen als zu zeigen. Und teure Wärme nicht hinaus zu
leiten.
Ob es wohl kalt war hinter diesen Steinen,
wenn sich darauf der Winter legte? Wie kam sie bloß zur Schule, wenn Eis den
abschüssigen Weg bedeckte? Die Straßenbahn nach Graz fuhr damals schon, doch
bis zur Haltestelle war es weit.
Gab es für sie wohl Pferd und
Kutsche?
Keiner wird das Tor mehr öffnen.
Und ich muss auskommen mit dem, was
ich an Zuwendung und Wärme von Großmutter erhalten hab. Und weiter mit den Fragen
leben.
Eine luftige Garage, wie man sie
oft im Süden sieht, nicht viel mehr als ein überdachter Platz, schließt ab den Blümelweg. Dahinter öffnen sich die wilden
Wiesen, geben frei den Blick auf das, was Großmutter gesehen hat. Die
Wallfahrtskirche reckt ihre gelben Türme weit hinaus ins Blau. Postkartenblick.
Und dennoch echt. Und wieder drängt ein anderes Bild aus der Erinnerung herauf:
mit leichtem Pinselstrich in warmen Farben von der Jugendlichen festgehalten,
stilisiert zum Aquarell.
Es zirpt und summt und flügelt. Kein andrer Laut stört die Idylle, nicht nur die Landstraße ist fern. Ich setze mich ins Grün, halt Zwiesprache für eine Weile. Mit Gräsern, Blumen und dem Wind. Und hör dazwischen plötzlich ihre Stimme, die aufsteigt aus dem Dunkel, das wohl ein jeder in sich trägt und das zuweilen aufbricht für Momente, wenn wir nur leicht den Schlüssel drehen im Schloss zum Tore der Vergangenheit.
Und unter steirischer
Sonne begreife ich zum ersten Mal, warum sich Großmutter niemals zurückgesehnt,
als sie mit Großvater in jenes ferne Land gezogen: sie fand dort eine
Landschaft vor und eine Lebensform, die nahtlos passte zu der ihren.
Ganz viel /Maria/Trost
in Siebenbürgen.
/c/ Text: Monika Kafka, 06/12
Bild: Thom Kafka, 06/12