Noch gibt er sich zuversichtlich,
der Sommer, beinahe stolz trägt er sein duftiges lichtes Gewand. Und kann doch
nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bereits das letzte Hemd ist, das er
angezogen hat. Dünn flirren am Morgen schon die ersten Nebelschleier über der
schwer atmenden Stadt, das Sonnenauge wirkt selbst um die Mittagszeit müde und
bemüht, die Temperaturen auf Touren zu bringen.
In den Schaufenstern der
Fußgängerzone indes hat der Herbst längst Einzug gehalten und mit ihm der Auftakt
zur größten Faschingssause der Welt.
Ich kann mal wieder gar nicht glauben,
was meine Augen sehen. Sehen müssen.
Daher beschließe ich, eines dieser
Geschäfte zu betreten, in denen das sogenannte must have für zwei Wochen
Dauerparty angeboten wird. Der freundlichen Dame mit Dauerlächeln, die mich sofort
in Empfang nimmt, kaum dass ich die Schwelle übertreten habe, trage ich ohne
Umschweife meinen Wunsch vor. Selbstverständlich gäbe es eine große Auswahl an
Dirndln, sagt sie, immer noch dauerlächelnd, und macht eine ausschweifende
Handbewegung in Richtung Damenabteilung, die, so fügt sie hinzu, jetzt
vorsichtshalber ins Erdgeschoss verlegt worden sei. So könne Frau gleich
zugreifen, nicht wahr, ohne sich erst in den ersten Stock bemühen zu müssen.
Sie habe mich wohl missverstanden,
entgegne ich freundlich, ich wünsche keine Faschingsverkleidung sondern ein
Dirndl.
Das Dauerlächeln erstarrt
augenblicklich zur Fratze, aus dem es sich durch leises Hüsteln und Räuspern zu
befreien sucht. Ich beschließe, etwas nachzuhelfen und füge hinzu, dass ich
etwas Traditionelles Echtes haben möchte. Nix schulterfrei und Plastikstoff in
kracherten Farben und grad mal schambedeckend. Aufmunternd lächle ich sie jetzt
an. So etwas wird dieser renommierte Laden doch wohl zu bieten haben.
Ihre letzten Sätze erreichen mich
gerad noch beim Ausgang. Sie waren wenig freundlich und auch sicher nicht mehr
gelächelt.
Ich erspare mir und anderen, beinah
dauerlächelnden Verkäuferinnen weitere Qual.
Auf dem Heimweg fällt mir mein
Kollege ein, ein waschechter Münchner. Er trägt das ganze Jahr über nichts
anderes als Haferlschuh, handgearbeitet und nicht tot zu kriegen, schwere
Leinenhemden ohne Schnörkeldruck im Landhausstil, dafür mit echten
Hirschhornknöpfen, vereinzelt mit dezenter Stickerei, und handgestrickte grobe
Janker.
Das ganze Jahr über? Nicht ganz.
Es gibt da eine Ausnahme – und das
sind die zwei Wochen, in denen sich auch meine Stadt im Ausnahmezustand befindet
und im Karneval der Kitschigkeiten den letzten Rest an Würde mit begräbt.
Recht hat er, mein Spezl, denke ich
und plane, zum Einkaufen hinaus aufs Land zu fahren – muss ja nicht gleich bis
Chiemsee sein. Mein neues Dirndl werd ich dann mit Freude tragen – zur Kirchweihdult, Ende Oktober.
/c/ bild und text: monika kafka, 08/13