schluesselworte

schluesselworte
abgelegt und fortgegangen (c) Dieter Vandory

Montag, 30. April 2012

Claus Stephani, Vor dem letzten Augenblick







„Am Anfang war das Wort, doch am Ende wird die Lüge sein, und die Lüge wird sein wie das Wort, in einem Gewand aus falschem Leinen, und man wird ihr glauben und meinen, sie ist das Wort“, sagte Rabbi Schmuel von Oberwischau vor gut zweihundert Jahren.

Was aber hat es auf sich mit den Worten, diesen seltsamen Gebilden, die uns umso mehr abhandenkommen, je verzweifelter wir sie suchen? Die sich einmal scheu und zerbrechlich geben wie ein junges Mädchen vor der ersten Blüte, ein andermal sich zieren und umworben werden wollen wie eine alternde Diva. Vielleicht stimmt beides und auch wieder nicht, vielleicht muss man sie einfach im Stillen reifen lassen, bevor sie uns ihre volle Süße offenbaren so wie ein später Sommertag.
Und wenn es dann auch noch gelingt, die sieben Tore zur Erinnerung zu durchschreiten, wird man sie finden, die Worte, mit denen sich Geschichten erzählen lassen, anrührend und zärtlich, poetisch und wahr_haftig, weil sie weit entfernt von einem Ende sind.
Das ist Claus Stephani  in seinen „Erzählungen aus verschwiegenen Zeiten“, so der Untertitel seiner neuesten Publikation „Vor dem letzten Augenblick“, auf wunderbare Weise gelungen.

Drei Erzählungen sind es, die als Vorgriff auf ein umfangreicheres Buch bei Hans Boldt als „Winsener Heft 35“ erschienen sind.
In ihrem Mittelpunkt steht jeweils eine andere Frau: 
Judith, „das Geschenk eines zärtlichen Sommers“, Anna, die gebildete Französischlehrerin und schließlich Joana, die Frau ohne Nachnamen, vom liebenden Adam, der in Wahrheit ebenfalls einen anderen Namen hat, Apfelblüte genannt. Das Verbindende dieser Begegnungen aber, die das Erzähler-Ich geprägt und sein Heranreifen zum Mann auf unterschiedliche Weise begleitet haben, ist die Sprache. 

Vom Nicht-Sagen-Können, weil die Worte fehlten oder unbeholfen waren, über ihren Missbrauch in einem totalitären Regime, dem Schwanken zwischen einer Mutter- und einer Vatersprache und dem Schweigen, das unweigerlich zum Verschweigen führt, spannt sich der Bogen, geografisch eingebettet unter den teilnahmslosen Augen der Corona, jener Stadt im fernen Siebenbürgen, die schon zu viel gesehen hat, um sich darüber noch zu wundern.

Bildreich und unaufdringlich erzählt Claus Stephani selbst von unangenehmen Wahrheiten, von einem Regime, dessen medusenähnliche Tentakel heute noch Gift verspritzen, auch wenn sie in Aktenordnern eingesperrt scheinen. Der Teufel, der Sched, spielt weiterhin seine Geige. Wenn es auch immer wieder eine neue Melodie ist.

Angereichert sind die Texte mit Worten der Alten und Weisen aus einer untergegangenen Welt voller Mythen und Zauber, einer Welt, die dem Ethnologen Dr. Claus Stephani bestens vertraut ist.

„Diese Erzählungen habe ich hervorgeholt, um sie zu verschenken. An jeden, der sie hören will.“

Mögen sie ein breites Publikum erreichen.


Kursiv gesetzte Zeilen sind Zitate aus:

Claus Stephani
Vor dem letzten Augenblick
Winsen/Luhe, 2012
978-3-928788-74-8


Im Literaturverlag Hans Boldt erschien ferner:


Claus Stephani
Stunde der Wahrheit
Erzählungen
Winsen/Luhe, 2007
978-3-928788-61-8






Freitag, 27. April 2012

von jahren und zeiten




für ej



als ich damals zu dir kam
die hände voller dunkel
hast du hinein gepflanzt
den rosenstock
mitten im splitternden winter

als ich im frühjahr wieder kam
die finger voller knospen
hast du mich ausgelacht, gesagt   
sie würden eh verdornen

ich fand dich wieder, spät
im herbst nun wuchs die nacht
aus deinen händen-
letzte blüten gab ich dir
 trag einen rosenstein seither 


/c/ bild und text: monika kafka, 04/12

Lyrikanthologie







Mit dieser Anthologie legt die Edition Thaleia eine weitere Projekt-Arbeit vor, die von einem Literaturforum im Internet initiiert wurde. Über viele Monate hinweg haben zwölf Autoren aus vier Ländern Texte verfasst, die sich der dunklen Seite des Lebens annehmen, haben an ihren Texten gefeilt, sich gegenseitig Rückmeldung gegeben und schließlich die besten Beiträge dem Verlag in St. Ingbert vorgelegt, der dafür bekannt ist, „sich solcher literarischer Werke anzunehmen, die weder zeitgenössischen Strömungen noch aktuellen Anforderungen des deutschsprachigen Buchmarkts entsprechen und somit wenig bis gar nicht von den kommerziellen Verlagshäusern beachtet werden“.

Das Ergebnis, für das die beiden Herausgeberinnen Diana Jahr und Stephanie Simon verantwortlich zeichnen: eine in acht Themenkreisen gefasste Zusammenstellung von Gedichten, die ein beachtliches literarisches Niveau aufweisen.

Den Leser erwartet, der Titel lässt es schon vermuten, keine leichte Kost: Themen wie Tod/Freitod, Trauer, Liebeskummer, Alter, Missbrauch, Sterbehilfe … lassen nicht unberührt, fordern heraus zu einer sowohl sehr persönlichen Interpretation wie auch zu einer kritischen oder gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit diesen hoch emotionalen, aufwühlenden Inhalten.  

Einige Texte sind sehr konkret, erlauben einen unmittelbaren Zugang, andere wieder sind eher hermetisch, sehr dicht und fordern den Leser damit auf, den Impulsen zu folgen und mit eigenen Inhalten aufzufüllen. 

Bemerkenswert ist, dass viele Texte nicht in Düsternis verharren, sondern auch hoffnungsvolle Wege aufzeigen oder zumindest durchschimmern lassen.

Die Autoren sind:
Marina Bartolovic
Moshe Sala Chazara
Orit Chazara
Anja Finger
Julia Fürst
Christopher Grimm
Diana Jahr
Sabine Kirchhoff
Ines Oppitz
Heinz Kurt Rintelen
Stephanie Simon
Bianka-Helena Wolf

Diana Jahr & Stephanie Simon (Hrsg.)
Lichtbruch
Die dunkle Seite des Lebens

156 Seiten, Broschur
14, - Euro
 978-3-943382-00-6



Mittwoch, 25. April 2012

ausgetauscht

/c/ dieter vandory, fass mich nicht an, 2012








die worte die lippen der atem
reicht nicht
um haltung zu wahren
in dieser nacht
der ausgemachten lügen
auf kurzen beinen und ältlich
ist /nicht nur/ die geschicht´

von einem der leidet und zwei
sind beglückt in diesem üblen spiel
aus verrat und verzicht

gibt’s keine haltung
wenn sich die nacht wölbt
ins nichts
fällt mein schrei und jedes wort
das ich dir schrieb

austauschbar und so belanglos
wär die geschicht`wenn es 
mir dabei nur nicht den atem 
raubte und das gesicht




/c/ monika kafka, 25/04/12

Sonntag, 22. April 2012

gelöscht





ich hab deine worte
zu grabe getragen
gestern abend
mit ein paar klicks

vielversprechende  
wie auch banale
dreiwortsätze, seitenweise
ungereimte poesie

und immer wieder
diese frage
wollen Sie wirklich … ja

vom rand der nacht
wuchs eine stille mit augen
groß und schwer



/c/ text und bild: monika kafka, 04/12

Freitag, 20. April 2012

in dein haar gebettet

/c/ dieter vandory, grün, 2011






in dein haar gebettet
reste meines winters
als frostschleier tagten
auch nachts melodys stimme
das herz erwärmte darin
dein name
sich in meine adern sang

draußen fiel schnee
in namenloser landschaft
färbte sich unser atem
bunt, im morgengrauen
lag mein herz
in deinen händen

und wie es sich einpocht
seither, auf eine neue zeit


/c/ monika kafka, 04/12


Montag, 16. April 2012

ein bild - drei texte

 
René Magritte, Die Liebenden, 1928



 http://www.albertina-artivity.at/werke-detail/items/magritte-die-liebenden.html

 
 

verschleiert durchs leben

enthüllungstanz

im kern

der nackte wahnsinn


diana jahr, 2012 



Als ich sehend war, nahm ich das Braun deiner Augen wahr, das wie Spätsommertage zu schimmern vermochte. Ein reifer Tag, der sich gegen den Abend neigte. Die sanfte Wölbung deiner Lippen glich einer aufgeworfenen Ackerscholle. Abgeerntet, die ihr Innerstes nach außen kehrt.
Wie war dein Haar seidig und fein. Meine Finger verfingen sich in ihren Wellen. Wirbelnd ohne Ende tanztest du vor meinen Füßen, mit einem Lächeln, das mich trug. Über die Unwirtlichkeiten des Tages baute es eine Brücke, die ich klopfenden Herzens beschritt.
Vom Blau beschirmt, umzäunt vom Grün, so lebten wir. In den Nächten, wenn die Mondlampe erlosch, tröstete mich deine Haut.
Erdig atmeten die Nachmittage. An Feuerstellen brieten wir unsere späte Ernte.
Mit der Erinnerung an den Geruch werde ich sterben. Wie ein dunkles Wort wird sie sich zum Schluss auftun.
Meine beginnende Unruhe nistete bereits unter unserem Dach. Immer öfter gerieten die Tage mit dir ins Fadenkreuz der Leere. Keine Farbe konnte sie erhellen. Nur der Schlaf half für kurz.

Jetzt, da der Nebel hüllt, weiß ich um das Leben und seine Lüge von Erlösung.
An meinen Ohren singt Wind. Der ewig jung Bleibende. Bis zum letzten Atemzug wird er mich mit aschefarbigem Flor umfächeln.
Manchmal liegt ein Zittern in der Luft. Das erinnert mich an die voranstürmende Zeit.

An einem ganz bestimmten Tag wird das Gelebte in sich zusammen fallen und bleiben. Geborgen sein im Abschied. Mein einziger Trost.
Nun, da ich erblinde, höre ich dein Herz schlagen. Gleichmäßig und stark. 


Gabriele Pflug, 2012 



 
Vielleicht
 wäre dies die Chance gewesen:

blind zu vertrauen
selbst jenseits des Flusses

dass die Kopfweiden
ausgerottet werden

/diese Hexenbäume
im pfeifenden Wind/

Vielleicht aber
hat es sie auch nie gegeben

und hinter der Hülle
kein Gesicht



 Monika Kafka, 2012



Freitag, 13. April 2012

als wäre ich siech ... eva strittmatter


/c/ dieter vandory, 2011



als wäre ich siech und sonstwo gewesen
so flog dieser frühling an mir vorbei
ich lag gekrümmt in einem schatten
aus bildern und worten vergangener zeit

des nachts holt ich dämonen hinzu
die mich damit umtanzten, gierig
traf flammengelächter fratzenhaft
mein zerschlissenes gesicht

sie labten sich an meiner qual
und zischten lüstern was von liebe
und lippen, rot gibts überall, verkommen
im schmerz, das wirst nur du

sie trieben es bunt auf meiner pein
verhöhnten gefühl und verstand
ich hab mich gewunden und habe geweint
gehasst und verflucht mein sein

als wäre ich siech und sonstwo gewesen
so lahmt noch mein schritt im neuen licht
wenn auch der frühling flog vorbei
aus erdigem dunkel steigt purpurn der mohn




/c/ monika kafka, 04/12

Mittwoch, 11. April 2012

berge über berge

/c/ dieter vandory, berge, 2012








schon schiebt die zeit
faltige fragen
zu bergen zusammen
unüberwindbar
zwischen dir und mir

lahmten bereits
die einfachen worte
und krochen nicht mal
über papier

gegangen
ist nur die liebe, entnebelt
über endliche felder

es gibt keine antwort
es gibt nur fragen

sie gipfeln sich einsam
im eiswind der nacht



/c/ monika kafka, 04/12

Montag, 9. April 2012

einladung

/c/ dieter vandory, die einladung, 2012







/an eine von modiglianis frauen/


leg mir die nacht aus
mit einfachen worten

lass weg die metaphern
und komplizierten vergleiche

sag liebe und lust
und wonnige morgen

leg mir die nacht aus
mit sprechenden küssen

einmal nichts müssen
als einfach: sein



/c/ monika kafka, 04/12


kommentargedicht von diana jahr: 

 
ich tauch durch metaphern
scheu keinen vergleich
und träume schillernde worte


leg dir die nacht aus
mit leuchtender stille
und flüster liebe dir ein

Donnerstag, 5. April 2012

Ostern


hans dieter vandory, kirchenburg frauendorf




Über die Dächer geht
ein Ton im Festtagskleid
tanzen Osterglocken



/c/ monika kafka, 04/12




Allen meinen Leserinnen und Lesern wünsche ich
Frohe Ostern!


Montag, 2. April 2012

banal

/c/ dieter vandory, 2012



ferner

/so wie du schließlich
geworden warst/
sagtest du etwas einfaches

das wie roter regen klang
als die laute über deine lippen liefen
fragte ich mich warum

der angebrochenen wolke
keine wortflut folgt
und ein abschied immer

banal bleibt angesichts
des textreichen beginns



/c/ monika kafka, 04/12